Wurde vergessen, der US-Wirtschaft zu sagen, dass Pandemie ist?
Die USA blicken auf eine beeindruckende Erfolgsbilanz: So sank seit Anfang Januar die Zahl der täglichen Neuinfektionen von etwa 75 pro 100.000 Einwohner auf zuletzt nur noch etwa 40. Gleichzeitig stieg der Einkaufsmanagerindex für die Gesamtwirtschaft im Januar auf 58,7 – den höchsten Stand seit 2015. Auch haben die USA schon etwa 8 % der Bevölkerung geimpft. Trotz der Coronapandemie boomt die amerikanische Wirtschaft, wie auch der Geschäftsklimaindex der kleineren und mittleren Unternehmen NFIB (Dienstag) zeigen dürfte. Die US-Politik hat es also geschafft, einen optimalen Mix aus Lockdown-Maßnahmen zu finden, der die Pandemie unter Kontrolle hält und zugleich einen kräftigen Konjunkturaufschwung ermöglicht. Dementsprechend verwundert es kaum, dass der US-Dollar an den Devisenmärkten zuletzt Rückenwind erhielt. Das überraschende Ausbleiben einer Rezession in den USA im vierten Quartal 2020 und jetzt die merkliche Beschleunigung der Konjunkturdynamik bedeuten jedoch, dass die Inflationsrisiken (Mittwoch) steigen.
Europa am Tiefpunkt
In der Eurozone blieb die Zahl der täglichen Neuinfektionen trotz sehr harter Lockdowns in vielen Ländern in den vergangenen Wochen nahezu unverändert – auf einem Niveau von etwa 20 pro 100.000 Einwohner. Vor diesem Hintergrund dürften kaum Lockerungen in den kommenden Wochen möglich sein. Somit bestehen auch nur geringe Aussichten, dass sich die Wirtschaftslage bald verbessert. Sie hatte sich schon im Januar merklich verschlechtert – mit einem Rückgang des Einkaufsmanagerindex der Gesamtwirtschaft auf nur noch 47,8. Immerhin ist die Industrie (Montag) nach wie vor ein kleiner Lichtblick. Der Vorteil der US-Politik ist, dass wahrscheinlich viel weniger Unternehmen in den USA in Konkurs gehen werden als in Europa. Das Wachstumspotenzial der Wirtschaft in der Eurozone könnte langfristig beschädigt werden, wenn viele eigentlich mittelfristig solvente Unternehmen infolge des vorübergehenden Coronaschocks aufgeben müssten.
Großbritannien litt bisher stärker unter der Pandemie als das restliche Europa. Daher befindet sich Großbritannien auch nunmehr im dritten Lockdown, und der dürfte das Wirtschaftswachstum (Freitag) im vierten Quartal 2020 belastet haben. Die Wirtschaft in Großbritannien schnitt somit 2020 merklich schlechter ab als die Wirtschaft der Eurozone. Immerhin ist das Impftempo in Großbritannien sehr hoch, sodass schon bald mit einer Lockerung der Lockdown-Maßnahmen und mit einem kräftigen Konjunkturaufschwung zu rechnen ist. Zwar gibt es derzeit viele negative Schlagzeilen zum Brexit, die Konjunkturdaten zeichnen jedoch ein anderes Bild: So blieb der Einkaufsmanagerindex der Industrie im Januar mit 54,1 deutlich über der kritischen Marke von 50. Die britische Industrie expandiert also anhaltend mit einem hohen Tempo; der Brexit scheint folglich gut verkraftbar zu sein.
China schon vor Trendwechsel der Wirtschaftspolitik
Die chinesische Konjunktur brummt, wie die Einzelhandelsumsätze und die Industrieproduktion (jeweils Freitag) eindrücklich zeigen dürften. Schon seit dem zweiten Quartal 2020 befindet sich die chinesische Wirtschaft in einem dynamischen Aufschwung, der unter anderem auch mit umfassenden staatlichen Hilfsmaßnahmen ermöglicht wurde. Die Folge ist ein merklicher Verschuldungsanstieg. Die chinesische Regierung leitete vor diesem Hintergrund einen Trendwechsel der Wirtschaftspolitik ein: Die Geldpolitik wurde etwas restriktiver, zahlreiche staatliche Hilfsmaßnahmen wurden eingeschränkt. Es besteht somit Unsicherheit, ob dies tatsächlich ausreicht, die Konjunktur zu bremsen, oder ob sie vielleicht sogar zu stark abgewürgt wird. Sollte die Wirtschaft zu wenig gebremst werden, drohen auch in China perspektivisch Inflationsrisiken (Mittwoch).
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