China könnte die eigene Wirtschaft überstimulieren
Die chinesische Regierung beschloss in dieser Woche ein Wachstumsziel von 5,5 Prozent für dieses Jahr. Auf den ersten Blick würde sich damit der Trend der vergangenen Dekade zu niedrigeren Wachstumsraten „geordnet“ fortsetzen. Auf den zweiten Blick erscheint dieses Ziel jedoch äußerst riskant, da sich derzeit in China eine demografische Trendwende vollzieht. So stagnierte die Bevölkerung im vergangenen Jahr und dürfte in diesem Jahr sogar beginnen zu schrumpfen.
Ein weiterer Faktor erschwert das Erreichen des Wachstumsziels: Aufgrund staatlicher Maßnahmen schrumpft der Immobilienmarkt und kann nicht wie in der Vergangenheit als Wachstumsmotor wirken. Derzeit werden laut „Economist“ pro Jahr etwa 15 Mio. Wohneinheiten in den Städten gebaut. Wenn man nun unterstellt, dass von den etwa 170 Mio. Chinesen zwischen 16 und 25 Jahren etwa 90 Prozent in den nächsten zehn Jahren auf den Immobilienmarkt kommen, werden bei eine Urbanisierungsrate von 65 Prozent und einer Singlequote von etwa 50 Prozent im Durchschnitt etwa 7,5 Mio. Wohneinheiten pro Jahr in den Städten nachgefragt werden. Der Wohnimmobilienmarkt müsste also um die Hälfte schrumpfen, um Angebot und Nachfrage wieder in Einklang zu bringen.
Wirtschaftswachstum ist die Summe aus Bevölkerungs- und Produktivitätswachstum. Die erfolgreichste Volkswirtschaft der Welt – die USA – erreichte langfristig im Durchschnitt ein Produktivitätswachstum von etwa 2,0 Prozent pro Jahr. China müsste jedoch die Produktivität um mehr als 5,5 Prozent in diesem Jahr steigern, um das Wachstumsziel zu erreichen. Natürlich ist China noch ein Land mit mittlerem Einkommen und hat daher noch großes Wachstumspotenzial. Auch technologisch macht das Land unglaublich große Fortschritte, sodass ein Wachstum von etwa 4,0 Prozent trotz schrumpfendem Wohnimmobilienmarkt durchaus gut erreichbar sein sollte. Aber ein Wachstum darüber hinaus ist sicherlich nur mithilfe einer Überstimulierung der Konjunktur möglich. Der Fokus wird sich also auf die Daten wie die Einzelhandelsumsätze und die Industrieproduktion (jeweils Dienstag) richten.
Eine Überstimulierung der chinesischen Konjunktur bedeutet jedoch auch, dass sich die globale Knappheit an Rohstoffen in den kommenden Monaten verstärken könnte.
Leitzinserhöhungen in den USA und in Großbritannien
In der kommenden Woche werden die beiden angel-sächsischen Zentralbanken – die Fed am Mittwoch und die Bank of England am Donnerstag – den Leitzins voraussichtlich um jeweils 0,25 Prozentpunkte anheben.
Der Arbeitsmarktbericht (Dienstag) aus Großbritannien dürfte jedoch eine Beschleunigung der Lohn-Preis-Spirale offenbaren und die damit verbundenen hohen Risiken für die Inflation. In den 1970er-Jahren warteten die Zentralbanken zu lange mit einem Übergang zu einer restriktiven Geldpolitik, sodass die Inflation außer Kontrolle geriet. Die historische Erfahrung spricht also dafür, so schnell wie möglich die Inflationsrisiken einzudämmen. Ehrlicherweise müsste sich die BoE in diesem Umfeld eigentlich für einen Zinsschritt von 0,75 Prozentpunkten entschließen. Das heißt: Je langsamer sie jetzt den Leitzins anhebt, desto mehr muss sie zu einem späteren Zeitpunkt tun.
Das gilt auch für die US-Notenbank. Starke Daten vom Arbeitsmarkt, starke Einzelhandelsumsätze (Mittwoch) und eine starke Industrieproduktion (Donnerstag) signalisieren eine US-Wirtschaft, die derzeit zu schnell wächst – vor dem Hintergrund der Lieferengpässe und der großen Knappheit bei Rohstoffen. Auch die US-Notenbank sollte eigentlich schon jetzt den Leitzins um 0,5 bis 0,75 Prozentpunkte anheben.
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