Wird der Yen zu einem Opfer der US-Geldpolitik? Und was macht die Bank von Japan?
Die US-Notenbank wird nach aller Wahrscheinlichkeit den Leitzins am Mittwoch um 0,5 Prozentpunkte anheben und gleichzeitig einen weiteren Zinsschritt in derselben Höhe für Juli ankündigen. Damit wird die Zinsdifferenz zwischen den USA und Japan noch größer werden, da die Bank von Japan (BoJ) derzeit keinerlei Signale sendet, bald den Leitzins von -0,1 Prozent oder die „Yield Curve Control“ antasten zu wollen. Derzeit begrenzt die BoJ im Rahmen der „Yield Curve Control“ die Rendite 10-jähriger Staatsanleihen bei 0,25 Prozent.
Die Straffung der Geldpolitik in den USA und die Beibehaltung der ultraexpansiven Geldpolitik in Japan haben Folgen am Devisenmarkt. Der US-Dollar geht durch die Decke und handelte zuletzt auf dem höchsten Niveau seit mehr als 20 Jahren. Setzt das die Bank von Japan unter Zugzwang?
Quellen: Refinitiv Datastream, Metzler; Stand 8.6.2022
Japan kann mit einem schwächeren Wechselkurs leben –spielt aber mit dem Feuer
Im April betrug die Kerninflation in Japan nur 0,8 Prozent, während sie in den USA bei 6,2 Prozent lag. Die Währungsschwäche dürfte somit in den kommenden Monaten einen willkommenen Anstieg der Kerninflation in Richtung des Inflationsziels der BoJ von 2,0 Prozent bewirken. Auch dürften die Gewinnmargen der japanischen Exportunternehmen kräftig steigen, da sie ihre Exporte überwiegend in Fremdwährung preisen. Die inländischen Konsumenten sind dagegen die großen Verlierer, da sich die Importe merklich verteuern werden.
Quellen: Refinitiv Datastream, Metzler; Stand 31.5.2022
Hier liegt auch das Risiko. Die privaten Haushalte und Unternehmen in Japan sind sehr vermögend und halten einen großen Teil ihrer Geldanlagen bei ihrer Bank. In einem deflationären Umfeld ist es rational, einen großen Teil der Anlagen in Cash zu halten. So verzehnfachte sich das Verhältnis der Geldmenge M1 zum BIP seit 1995 auf nahezu 200 Prozent des BIP. Sollte nun die lange vorherrschende Deflationspsychologie in eine Inflationsangst umschlagen und die privaten Haushalte und Unternehmen mit einem merklichen Kaufkraftverlust ihrer Ersparnisse in der Zukunft rechnen – in Form einer hohen Inflation und einer anhaltenden Währungsabwertung – könnten sie zunehmend ihr Geld von den Banken abziehen und im Ausland anlegen.
Die Inflationserwartungen der Japaner steigen
So sind die langfristigen Inflationserwartungen laut Tankan-Umfrage von etwa 1,0 Prozent im Jahr 2021 auf zuletzt 1,7 Prozent gestiegen. Auch wollten noch 57 Prozent der im August 2021 befragten Konsumenten den Supermarkt wechseln, wenn der Preis eines oft gekauften Produkts um 10 Prozent steigt. In der Umfrage vom April 2022 schrumpfte der Anteil auf nur noch 44 Prozent. Die japanischen Konsumenten scheinen nun Preiserhöhungen leichter zu akzeptieren, was auf höhere Inflationserwartungen schließen lässt. Insgesamt steigen also die Inflationserwartungen und damit das Risiko einer Kapitalflucht, die eine Abwärtsspirale des japanischen Yens auslösen könnte.
Die Bank von Japan (Freitag) wäre dann gezwungen, die Geldpolitik mithilfe höherer Zinsen merklich zu straffen, um den Wechselkurs des japanischen Yens wieder zu stabilisieren. Höhere Zinsen könnten jedoch dann eine Rezession und einen Rückfall in die Deflation bewirken. Es wird daher sehr spannend zu beobachten sein, wie sich die BoJ am Freitag zu diesem Thema äußert.
Schwäche des Yen könnte die Wirtschaftspolitik auf den Plan rufen
Eine Möglichkeit wäre, dass die BoJ ihre Geldpolitik beibehält, die japanische Regierung aber ihre Devisenreserven von 1,2 Billionen US-Dollar einsetzt, um den Yen zu stabilisieren. Aus Sicht der japanischen Wirtschaftspolitik wäre das sicher die bevorzugte Reaktion auf die Yen-Schwäche. Die Vermutung liegt nahe, dass sich die japanische Regierung aufgrund der erheblichen Turbulenzen bald gezwungen sehen wird einzugreifen, um den rapiden Abwärtstrend des Yen wieder einzufangen. Sollte die japanische Regierung tatsächlich die Devisenreserven einsetzen, müsste sie dazu jedoch US-Staatsanleihen in den USA verkaufen. Da die US-Notenbank jedoch auch gleichzeitig Staatsanleihen verkauft, droht als eine Folge ein weiterer Renditeanstieg in den USA.
US-Konjunktur: uneinheitlich
Die US-Konjunktur zeigt deutliche Zeichen einer Wachstumsverlangsamung. Der rapide Anstieg der Zinsen hat bisher vor allem den Immobilienmarkt hart getroffen, wie der Geschäftsklimaindex NAHB (Dienstag) und die Neubaubeginne (Donnerstag) eindrücklich belegen dürften. Der Wohnimmobilienmarkt ist traditionell frühzyklisch und ein Taktgeber für die Gesamtwirtschaft. Die Schwäche am Wohnimmobilienmarkt ist somit ein Warnsignal für eine bevorstehende Rezession. Darüber hinaus macht der starke US-Dollar das Leben für Exporteure aus der Industrie schwer: Philadelphia Fed Index (Donnerstag) und Industrieproduktion (Freitag).
Es kann jedoch noch einige Jahre dauern, bis es zu einer US-Rezession kommt. Der US-Arbeitsmarkt ist nämlich immer noch sehr stark, und die Nachfrage nach Arbeitskräften ist nach wie vor hoch. Solide Lohnsteigerungen und ein solides Beschäftigungswachstum bedeuten Einkommenssteigerungen und Konsumpotenzial: Einzelhandelsumsätze (Mittwoch). Historisch war erst ein Anstieg der Arbeitslosenquote ein Signal für eine nahende Rezession.
Europa: Bank of England in der Zwickmühle
Großbritannien kämpft mit einer brutalen Stagflation. Ein Element davon ist die besorgniserregende Lohn-Preis-Spirale, wie der Arbeitsmarktbericht (Dienstag) zeigen wird. Die Bank of England (Donnerstag) dürfte somit den Leitzins auf 1,5 Prozent anheben, um die Inflation zu bekämpfen. In einer Stagflation richtet die Zentralbank idealerweise ihren Fokus auf die Zweitrundeneffekte.
Auch der ZEW-Index wird veröffentlicht (Dienstag).
China: erste Erholungstendenzen?
Im Mai verbesserten sich die chinesischen Einkaufsmanagerindizes merklich. Auch die Exporte stiegen deutlich an. Somit scheint es erste Anzeichen für eine konjunkturelle Belebung zu geben. Das müssen jetzt nur noch die Daten bestätigen: Industrieproduktion und Einzelhandelsumsätze (jeweils Mittwoch). Eine Stabilisierung der Arbeitslosenquote (Mittwoch) würde darüber hinaus signalisieren, dass die gesamtwirtschaftliche Nachfrage nicht weiter fällt, sondern sich wieder etwas belebt. Die einsetzende Konjunkturerholung basiert jedoch nur auf staatlichen Ausgabenprogrammen. Für einen selbsttragenden Aufschwung muss sich auch der Immobilienmarkt (Donnerstag) wieder berappeln.
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