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Werbeinformation der Metzler Asset Management GmbH - 30.9.2022 - Edgar Walk

Ist die deutsche Schuldenbremse viel zu radikal?

Isoliert betrachtet gibt es starke Argumente für eine Schuldenbremse. So sorgt sie in normalen wirtschaftlichen Zeiten für einen rapiden Rückgang der Staatsverschuldung und reduziert damit die Risiken einer Währungs- und Staatsschuldenkrise (siehe unten: Großbritannien). In Krisenzeiten besteht dann ausreichend Spielraum, um die Verschuldung zu erhöhen und mit Hilfspakten gegenzusteuern. 

Ich bin jedoch der Ansicht, dass eine solch isolierte Betrachtung ein falsches Bild erzeugt und dass die Schuldenbremse zwingend in ihren Auswirkungen auf die Gesamtwirtschaft betrachtet werden muss – also ganzheitlich. Das große Problem in Deutschland ist nämlich, dass die privaten Haushalte und die Unternehmen bereits sehr hohe Sparquoten haben und zusätzliche staatliche Sparanstrengungen daher kontraproduktiv sind. 

Vereinfacht gesagt…

Zur Verdeutlichung der Zusammenhänge ein Beispiel mit grob vereinfachten Annahmen: Die deutsche Wirtschaft besteht nur aus zwei Unternehmen, einem Konsumgüter- und einem Luxusgüter-Hersteller. Jeweils die Hälfte der deutschen Bevölkerung arbeitet bei einem der beiden Unternehmen. Die Deutschen sparen die Hälfte ihres Einkommens. 

Beide Unternehmen produzieren ihre Güter und bringen sie auf den Markt. Die deutsche Bevölkerung kauft auf dem Markt aber nur die lebensnotwendigen Konsumgüter und spart ihr restliches Einkommen, da Sparquote = 50 %.

Mögliche Szenarien:

  1. Der Luxusgüter-Hersteller verkauft auf dem Markt nichts und muss daher seine Belegschaft entlassen. Das gesamtwirtschaftliche Einkommen halbiert sich, wodurch auch die Nachfrage nach Konsumgütern fällt. Der Konsumgüter-Hersteller muss daher auch Entlassungen vornehmen.  Ergebnis: Der Prozess endet erst mit vollständigem Produktionsstillstand.
     
  2. Der Luxusgüter-Hersteller sucht sich Nachfrage im Ausland. Ausländische Kunden würden gerne kaufen, haben aber nicht das Geld dafür. Der Luxusgüter-Hersteller leiht sich die Ersparnisse der Deutschen und verleiht das Geld an die ausländischen Kunden. Da ein großer Warenüberschuss in Deutschland besteht, sind die Kreditstandards nicht besonders hoch. Ergebnis: Deutsche Anleger erlitten in jeder der vergangenen Finanzmarktkrisen erhebliche Verluste, da die Kreditnehmer nicht in der Lage waren, die Kredite dauerhaft zu bedienen. So finanzierten deutsche Anleger US-Subprime-Anleihen, spanische Immobilien und den griechischen Staat. Dabei entstanden insgesamt Verluste von mehr als 500 Mrd. EUR.
     
  3. Der Weg, den Japan geht: Die Kreditvergabestandards für Kredite ins Ausland in Japan sind anscheinend höher als in Deutschland, sodass der japanische Exportüberschuss deutlich geringer ist. Um die gesamtwirtschaftliche Nachfrage zu stabilisieren, muss sich der japanische Staat einen Großteil der Ersparnisse der Bürger leihen – die Folge ist eine hohe Staatsverschuldung. Da in Japan die privaten Haushalte und die Unternehmen aber auch eine hohe Sparquote haben, bedeuten staatliche Sparmaßnahmen, dass die Wirtschaft – wie in Szenario 1 – in eine Rezession rutscht, sobald die Steuern erhöht oder die Staatsausgaben gekürzt werden. 

Fazit – Kernpunkte zur Schuldenbremse

Deutschland könnte hier einen Mittelweg gehen. Bei einem Defizit von 2 bis 3 Prozent des BIP im Rahmen der Maastricht-Kriterien dürfte die Staatsverschuldung immer noch fallen, aber nur sehr langsam. Dafür würden deutschen Anlegern Bundesanleihen zur Verfügung stehen, die eine gute Bonität haben. Das Defizit würde ermöglichen, dringend notwendige Investitionen in Infrastruktur, Bildung und F&E zu finanzieren. 

Grundsätzlich halte ich Regeln zur Staatsverschuldung für sinnvoll, die einen gewissen Spielraum bieten – wie die Maastricht-Kriterien. Die deutsche Schuldenbremse dagegen ist zu radikal. Auch ist die Sinnhaftigkeit einer Schuldenbremse abhängig von der Sparneigung der Unternehmen und der privaten Haushalte. Hätten die Unternehmen in Deutschland einen hohen Investitionsbedarf, wäre eine Schuldenbremse sinnvoll, da sie Ressourcen für die Unternehmen freisetzt.  

Zeigen die Entwicklungen in Großbritannien die Sinnhaftigkeit einer Schuldenbremse?

Die neue britische Regierung möchte die Neuverschuldung deutlich erhöhen, um die Energierechnungen der privaten Haushalte zu deckeln und um Steuersenkungen zu finanzieren. Es ist eine sehr ungewöhnliche Finanzpolitik, bei einer Inflationsrate von etwa 10 Prozent einen fiskalischen Stimulus zu beschließen, der den Inflationsdruck sogar noch vergrößern könnte. Die Finanzpolitik gerät damit nämlich in einen Konflikt mit der Geldpolitik, die die Inflation schnell wieder auf den Zielwert von 2,0 Prozent senken möchte. Ein fiskalischer Stimulus bedeutet aber mehr Inflation und damit mehr Leitzinserhöhungen. Dementsprechend preisen die Finanzmarktakteure nunmehr Leitzinserhöhungen ein von derzeit 2,25 Prozent bis auf 6,0 Prozent im Frühjahr 2023. Die Folge ist ein Crash am Anleihemarkt: Die Rendite 30-jähriger britischer Staatsanleihen verzeichneten einen Anstieg von etwa 1,0 Prozent zu Jahresanfang bis auf über 5,0 Prozent am Mittwoch dieser Woche.

Großbritannien: Staatsanleihen unter Druck
Rendite 30-jähriger britischer Staatsanleihen in %

Quellen: Refinitiv Datastream, Metzler; Stand 28.9.2022

Normalerweise profitiert eine Währung von der Erwartung steigender Leitzinsen. Tatsächlich verlor das britische Pfund aber erheblich an Wert.

Der Absturz der britischen Währung ist somit darauf zurückzuführen, dass das Angebot an neuen Staatsanleihen, die von der Regierung verkauft werden müssen, viel zu groß ist für die Nachfrage. Das führt dazu, dass Anleger aus Staatsanleihen und Währung aussteigen wollen. Das Verhalten der britischen Regierung entspricht damit dem eines Schwellenlandes: Sie produziert zu viele Schulden in einer Währung, für die es weltweit keine große Nachfrage gibt. Großbritannien hat traditionell eine sehr geringe Sparquote im Inland und ist daher auf ausländische Investoren angewiesen. Somit würde für Großbritannien tatsächlich eine Schuldenbremse Sinn machen. Die sehr hohe Sparquote in Deutschland bedeutet dagegen, dass jederzeit genug Nachfrage nach neuen deutschen Staatsanleihen besteht.

Die gute Nachricht ist, dass die britische Regierung jederzeit gegensteuern und eine solide Haushaltspolitik verfolgen kann. Damit wäre das Problem sofort gelöst.

Japan: Yen unter Druck

In Japan ist der japanische Yen auch unter Abwertungsdruck – nicht, weil ausländische Anleger aus dem Yen fliehen, sondern wegen der ultraexpansiven Geldpolitik. Japan hat auch eine außerordentlich hohe inländische Sparquote und damit grundsätzlich kein Problem, Staatsanleihen „an den Mann“ zu bringen.

Die Inflation (Dienstag) ist in Japan tatsächlich noch sehr niedrig. So ist der Anstieg der Inflation in den vergangenen Monaten nur auf die Güterpreise und damit auf importierte Inflation zurückzuführen. Die Inflation im Dienstleistungssektor – also die binnenwirtschaftliche Inflation – ist immer noch bei etwa 0,0 Prozent. Es gibt also keinen binnenwirtschaftlichen Inflationsruck und damit keinen Grund, die Geldpolitik zu ändern. Der Grund für die niedrige binnenwirtschaftliche Inflation liegt in dem schwachen Wachstum der Löhne (Freitag) – der Abwärtsdruck auf den Yen dürfte also vorerst bestehen bleiben. Sollte jedoch die Bank von Japan ihre Geldpolitik ändern, würde auch der Yen wieder aufwerten.

Japan: Keine binnenwirtschaftliche Inflation
Konsumentenpreisindex von Gütern und Dienstleistungen in % ggü. Vj.

Quellen: Refinitiv Datastream, Metzler; Stand 31.7.2022

Immerhin sind die Konjunkturperspektiven gut. Wir erwarten in Japan keine Rezession wie in China, Europa und die USA, da Geld- und Fiskalpolitik ausreichend gegensteuern: Tankan-Umfrage (Montag).

USA: Rezession eher später als früher

Die überraschend starken Konjunkturdaten in dieser Woche in den USA sprechen dafür, dass die Rezession eher später kommt, wahrscheinlich nächstes Jahr. Der ISM-Index (Montag) und der ISM-Index des Dienstleistungssektors (Mittwoch) dürften vor diesem Hintergrund über der kritischen Schwelle von 50 notieren.

Der Grund für die Konjunkturstärke ist das deutliche Beschäftigungswachstum (Freitag) und die extrem große Zahl an offenen Stellen (Dienstag). Damit verbunden besteht das große Risiko einer Lohn-Preis-Spirale. Die Stärke am Arbeitsmarkt bedeutet also, dass die US-Notenbank den Leitzins deutlich stärker anheben muss. Derzeit liegt die Erwartung bei 5,0 Prozent im nächsten Jahr. Es besteht jedoch das Risiko, dass noch mehr eingepreist werden muss.

Europa: Die Frage ist nur, wie tief wird das (Konjunktur-) Loch

Die Einkaufsmanagerindizes (Montag und Mittwoch), die deutschen Auftragseingänge (Donnerstag) und die deutsche Industrieproduktion (Freitag) werden zeigen, wie tief die europäische Konjunktur fallen wird. Immerhin gibt es zwei gute Nachrichten: die Energiepreise in Europa fallen immerhin etwas und die Lieferketten entspannen sich zunehmend.

Edgar Walk
Edgar Walk

Chefvolkswirt , Metzler Asset Management

Edgar Walk arbeitet seit 2000 bei Metzler. Als Chefvolkswirt im Bereich Asset Management ist er für die volkswirtschaftlichen Prognosen verantwortlich. Aufgrund seiner engen Zusammenarbeit mit dem Portfoliomanagement liegt sein Fokus neben der volkswirtschaftlichen Analyse verstärkt auf Kapitalmarktthemen. Vor seiner Anstellung bei Metzler studierte Herr Walk in Tübingen Volkswirtschaftslehre mit dem Schwerpunkt Regionalstudien Ostasien und Japan. Zur Vertiefung seiner Studien verbrachte er ein Auslandssemester an der Doshisha-Universität in Kyoto (Japan). Am Institut für Weltwirtschaft in Kiel absolvierte er anschließend den Aufbaustudiengang „Advanced Studies in International Economic Policy Research“.

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