Kryptowährungen, MMT und Weltreservewährungen – wie alles zusammenhängt
Kürzlich hielt der in Chicago lehrende Ökonom Harald Uhlig ein spannendes Online-Seminar zum Thema Kryptowährungen. Aus einem Standard-Asset-Pricing-Modell leitete er zunächst theoretisch her, dass private Kryptowährungen wie Bitcoin als Anlagevehikel keinen intrinsischen Wert haben, da sie keine Zinsen oder Dividendenerträge bieten.
Kryptowährungen rufen die Zentralbanken auf den Plan
So sei jeder Preis größer null eine Preisblase. Aber private Kryptowährungen ermöglichen Transaktionen, die für die Marktteilnehmer nutzbringend sind. Daher ist ein Preis über null auf Basis einer weitergehenden theoretischen Analyse gerechtfertigt. Theoretisch sei sogar jeder Preis gerechtfertigt, und der Preis heute sei damit die beste Prognose für den Preis in der Zukunft. Seiner Einschätzung nach zeigt die Entwicklung von Bitcoin und anderen Kryptowährungen, dass sich neben dem staatlichen Geld nun auch privates Geld etabliert hat und auch nicht mehr verschwinden wird. Interessanterweise entspricht das gesamte Volumen an ausstehenden Kryptowährungen schon jetzt dem ausstehenden Volumen an USD-Bargeld.
Vor diesem Hintergrund ist es wenig überraschend, dass die großen Zentralbanken an Konzepten für staatliche Kryptowährungen arbeiten, da die Sorge besteht, dass staatliches Geld zunehmend an Relevanz verlieren könnte. Sollte nämlich das Volumen an privaten Kryptowährungen eine kritische Größe erreichen, hätte dies laut Professor Uhlig erhebliche Auswirkungen auf die Geldpolitik. So zeigte er, dass die US-Notenbank die Menge an staatlichem Geld sogar reduzieren müsste, wenn die private Krypto-Geldmenge merklich steigen würde, da ansonsten die Inflation über das Inflationsziel der Zentralbank steigen könnte. Die großen Notenbanken würden also ihren derzeit nahezu unbegrenzten Handlungsspielraum verlieren, wenn privates Geld noch viel stärker als bisher die Gesellschaft durchdringt.
MMT kann nicht jeder
Die Idee hinter den hohen Haushaltsdefiziten in den USA bei gleichzeitig niedrigen Zinsen und umfangreichen Wertpapierkäufen der US-Notenbank wird von vielen Finanzmarktakteuren schon als MMT (Modern Monetary Theory) bezeichnet. Die MMT besagt, dass nur eine zu hohe Inflation den fiskalischen Spielraum einschränkt. Solange die Inflation jedoch niedrig ist, besteht unbegrenzter Spielraum für höhere Staatsausgaben. Derzeit scheint es so, als würde die MMT als Heilsbringer für alle Länder angepriesen. Dabei wird jedoch oft vergessen, dass nur Länder wie die USA, die Eurozone, Großbritannien und Japan überhaupt in der Lage sind, das Konzept umzusetzen, da ihre Währungen international für das Parken von Devisenreserven gefragt sind – sie also zu den Weltreservewährungen gehören. Alle anderen Länder, vor allem die Schwellenländer, wären bei einer Umsetzung der MMT sofort von einer Kapitalflucht betroffen und von einer ausgeprägten Währungsschwäche, die eine hohe Inflation nach sich ziehen würde. Für die Weltreservewährungen gibt es dagegen bisher noch keine echten Alternativen, sodass die Währungen trotz MMT stabil bleiben. Eine etablierte private Kryptowährung würde das Bild jedoch ändern und eine Umsetzung des Konzepts auch in Ländern mit Weltreservewährung erschweren.
Fundamentaldaten für den US-Dollar verschlechtern sich
In dieser Woche veröffentlichte die OECD ihre neuen Prognosen. Wie ich schon gezeigt habe , sind die Inflation und die Staatsverschuldung maßgebliche Einflussfaktoren für die mittelfristige Währungsentwicklung. Die neuen Prognosen der OECD zeigen nun in diesem Jahr eine schlechtere Entwicklung der Staatsschulden in den USA gegenüber der Eurozone und auch eine höhere Inflation in den USA als in der Eurozone. Dementsprechend signalisiert nun das Prognosemodell für den EUR/USD-Wechselkurs, dass der Euro schon in diesem Jahr auf 1,35 EUR/USD steigen und im nächsten Jahr auf diesem Niveau verharren wird.
Aktuell handelt der Euro jedoch bei 1,21 EUR/USD. Er ist somit weit von dem prognostizierten Niveau entfernt. Ich halte eine Aufwertung des Euro auf 1,25 EUR/USD bis Jahresende und auf 1,30 EUR/USD bis Ende 2022 für realistischer. Wahrscheinlich sollte man im aktuellen Umfeld die Prognosen des Modells eher dahingehend interpretieren, dass sie eine mittelfristige US-Dollar-Schwäche signalisieren.
Es könnte nämlich sein, dass die privaten Kryptowährungen die Modellergebnisse schwächen, da die internationalen Anleger lieber in Kryptowährungen zu gehen scheinen als in den Euro, der auch mit vielen politischen Risiken verbunden ist. Ein ähnliches Phänomen konnte schon in diesem Jahr am Goldmarkt beobachtet werden. So sank der Goldpreis bis Ende März erheblich, obwohl negative Realzinsen, zunehmende Inflationsängste und hohe Haushaltsdefizite eigentlich für einen steigenden Goldpreis gesprochen hätten. Anleger scheinen aus Gold oder anstatt in Gold in private Kryptowährungen investiert zu haben.
Kurzfristig haben Zentralbanken einen starken Einfluss auf die Währungsentwicklung
Mittelfristig dominiert der Einfluss von Inflation und Staatsverschuldung die Entwicklung der Währungen. Kurzfristig haben jedoch Zentralbanken und Zinsen einen starken, aber leider nicht stabilen Einfluss.
Für die EZB dürfte die Präsidentin Christine Lagarde (Donnerstag) zwar keine Änderung des PEPP im dritten Quartal verkünden, aber unterstreichen, dass das Pandemie-Notfall-Aufkaufprogramm im März 2022 wie geplant beendet wird. Die Eurozone glänzt nämlich schon jetzt mit starken Fundamentaldaten wie den deutschen Auftragseingängen (Montag) und optimistischen Wachstumserwartungen: ZEW-Index (Dienstag). Es wird spannend sein zu sehen, wie die Finanzmärkte darauf reagieren. Werden sie ein anhaltend hohes Wertpapierkauftempo im dritten Quartal höher gewichten als die Perspektive auf ein Ende der Käufe?
Die Fed könnte im Mai ein Problem bekommen. In den USA stieg die Inflation in den vergangenen Monaten deutlich. Bisher sind dafür jedoch nur wenige Preiskategorien verantwortlich gewesen, beispielsweise die Preise von Gebrauchtwagen. Es kann also nicht von einem Preisanstieg auf breiter Basis die Rede sein. Es spricht jedoch einiges dafür, dass auch im Mai die Inflation (Donnerstag) merklich überraschen könnte. Spannend wird dabei sein, ob sich der Preisdruck auf andere Kategorien ausgeweitet hat. In diesem Fall müsste die US-Notenbank schon früher als geplant das Ende der Wertpapierkäufe einleiten. Darüber hinaus ist in den USA mit einer stetig sich verschlechternden Handelsbilanz (Dienstag) zu rechnen. Auch hier stellt sich die Frage, ob der US-Dollar-Wechselkurs darauf mit Schwäche reagieren wird. Die von den Exporteuren erwirtschafteten US-Dollar können entweder wieder in den USA angelegt oder am Devisenmarkt verkauft werden. Die USA bieten zwar einen Zinsvorteil gegenüber den Staatsanleihen der anderen entwickelten Volkswirtschaften, die Zinsdifferenz ist meines Erachtens jedoch nicht groß genug, um eine US-Dollar-Schwäche aufzuhalten.
Auch in China werden die Inflationsdaten (Mittwoch) veröffentlicht. Hier stellt sich die Frage, ob der starke Anstieg der Rohstoffpreise nicht auch stärker auf die Konsumentenpreise durchgeschlagen ist.
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