Update der mittelfristigen Ertragserwartungen
In unserem Update der mittelfristigen Ertragserwartungen versuchen wir, die durchschnittlichen nominalen Erträge für die kommenden zehn Jahre von Aktien und Anleihen zu schätzen. Ergänzt wird die Betrachtung um die Volatilitäten und das Verhältnis der Ertragserwartungen zur Volatilität.
Die Kurskorrekturen im ersten Halbjahr 2022 an den Aktien- und Anleihemärkten waren sehr schmerzhaft. Immerhin haben sich aufgrund der nunmehr höheren Renditen von Anleihen und der inzwischen niedrigeren Bewertungen von Aktien die mittelfristigen Ertragsperspektiven weltweit verbessert.
Regelmäßig zu Anfang und Mitte des Jahres veröffentlichen wir ein Update unserer Schätzungen zu den mittelfristigen Ertragserwartungen für verschiedene Finanzanlagen. Dabei unterstellen wir eine langfristige Basisertragskraft für jede Finanzanlage korrigiert um eine Rückkehr ihrer Bewertung zum Mittelwert. Von Konjunkturszenarien sehen wir ab – vielmehr unterstellen wir, dass ein typischer Konjunkturzyklus zehn Jahre dauert.
Annahmen für die nominalen Ertragserwartungen
Von 1802 bis 2012 erwirtschafteten Anleger mit US-Aktien durchschnittlich einen realen Gesamtertrag von etwa 6,6 Prozent1 pro Jahr. Für alle betrachteten Aktienmärkte unterstellen wir auch auf Basis anderer Studien eine einheitliche langfristige Ertragskraft von real 6,0 Prozent pro Jahr. Davon ausgehend sind noch zwei Anpassungen notwendig für die mittelfristige Ertragsschätzung. Einerseits ist die Bewertung des Aktienmarktes zu berücksichtigen, andererseits die Höhe der Gewinnmargen der Unternehmen (siehe Anhang). Hierbei gehen wir davon aus, dass sowohl die Bewertung am Aktienmarkt und als auch die Gewinnmargen der Unternehmen über den Betrachtungszeitraum gleichmäßig zu ihrem historischen Mittelwert zurückkehren.
Für den Rentenmarkt unterstellen wir, dass der Realzins der Maßstab der Bewertung ist. Hier gehen wir jedoch nicht von einer mittelfristigen Rückkehr des Realzinses zum historischen Mittelwert aus, sondern von einer Annäherung an den Wachstumstrend der betrachteten Volkswirtschaft. Der Wachstumstrend ist nämlich die Basis, um den Realzins mittelfristig überhaupt erwirtschaften zu können. Bei Unternehmensanleihen, High-Yield-Anleihen und Schwellenländeranleihen gehen wir dagegen von einer Rückkehr der Spreads zum historischen Mittelwert aus. Daneben berücksichtigen wir noch die durchschnittlichen Kreditausfallraten sowie Einbringungsquoten.
Die aktuellen Inflationserwartungen (Inflationswaps) werden dann in einem nächsten Schritt auf die Schätzung des realen Aktien- und Anleiheertrags aufgeschlagen, um den nominalen Ertrag zu berechnen.
Zum Schluss schätzen wir noch die Kosten einer Währungssicherung, um den erwarteten Ertrag von Finanzanlagen in ausländischer Währung in Euro umrechnen zu können. In der Regel wird eine Währungssicherung über drei Monate abgeschlossen und danach regelmäßig nach drei Monaten über zehn Jahre hinweg erneuert. Die Kosten einer Währungssicherung ergeben sich entsprechend aus der durchschnittlich zu erwartenden Differenz der Dreimonatszinsen über zehn Jahre. Die ungedeckte Zinsparität spricht zudem dafür, dass sich über die mittlere Frist die Wertentwicklung einer Anlage in Fremdwährung mit oder ohne Währungssicherung kaum unterscheiden dürfte.
Quellen: Refinitiv Datastream, ICE, MSCI, Metzler
Große Volatilitätsunterschiede bei Staats-, Unternehmens- und High-Yield-Anleihen sowie Aktien
Die Volatilität ist ein Risikomaß. Jeder Anleger wird eine Anlage mit einem durchschnittlichen jährlichen Ertrag von 3 Prozent, die zwischen jährlichen Erträgen von 2 Prozent bis 4 Prozent schwankt, einer Anlage mit gleichem Ertrag bevorzugen, die jedoch zwischen jährlichen Erträgen von 20 Prozent bis -10 Prozent schwankt.
Staatsanleihen gelten als sicherste Anlage, da ein Staat mit eigener Zentralbank die Gläubiger jederzeit ausbezahlen kann. Leitzinsänderungen im Konjunkturzyklus verursachen Schwankungen der Kurse von Staatsanleihen. Das eigentliche Risiko für Anleger ist jedoch die Inflation. Historisch haben Staatsanleihen die niedrigste Volatilität. In den USA ist sogar ein Trend fallender Volatilität seit 1980 zu beobachten, was eine Folge gesunkener Inflationsrisiken sein könnte. Insgesamt betrug die durchschnittliche jährliche Volatilität 5,0 Prozent seit 1980.
Investmentgrade-Unternehmensanleihen haben ein größeres Risiko als Staatsanleihen, da Anleger im Falle eines Unternehmenskonkurses Verluste abhängig von der Einbringungsquote erleiden. Dementsprechend verzeichneten US-Investmentgrade-Unternehmensanleihen in den USA seit 1980 eine durchschnittliche jährliche Volatilität von 5,9 Prozent. High-Yield-Anleihen haben eine höhere Konkurswahrscheinlichkeit und eine niedrigere durchschnittliche Einbringungsquote. Das höhere Risiko zeigte sich seit 1980 in einer durchschnittlichen jährlichen Volatilität von 8,9 Prozent.
Investoren in Aktien tragen das größte Risiko, da sie am Ende einer langen Kette von Vorleistungs-, Lohn-, Zins-, Steuerzahlungen etc. stehen und nur Anrecht auf den Überschuss haben. Auch erleiden Sie im Falle eines Konkurses oft einen Totalverlust. Seit 1970 betrug die jährliche durchschnittliche Volatilität von US-Aktien (MSCI USA) 15,4 Prozent.
Bis 2019 niedrige Volatilität aufgrund massiver Interventionen der Zentralbanken
Die niedrige Volatilität an allen Finanzmärkten zwischen 2010 und 2019 ist auffällig. Offensichtlich sorgen die umfangreichen Interventionen der Zentralbanken für nur noch geringe Kursschwankungen. Die Volatilität könnte somit auch in Zukunft niedrig bleiben. Dem steht jedoch entgegen, dass schon kleine Zins- und/oder Risikoprämienänderungen im aktuellen Umfeld niedriger Zinsen theoretisch große Kurseffekte für Aktien und Anleihen haben können. Die rapide Kurserholung der Aktien im Jahr 2020 hat gezeigt, dass es sich hierbei nicht nur um Theorie handelt. Wir gehen daher davon aus, dass trotz Zentralbankinterventionen die Volatilitäten wieder in Richtung historischer Durchschnitte steigen werden. Wir haben nun die Ertragserwartungen über zehn Jahre ins Verhältnis zur historischen Volatilität gesetzt.
Quellen: Refinitiv Datastream, ICE, MSCI, Metzler
1 Siehe Jeremy Siegel: Stocks for the Long Run
Anhang
Der reale Gesamtertrag einer Aktienanlage lässt sich in folgende Bestandteile zerlegen:
1. Änderung des Kurs-Gewinn-Verhältnis
2. Änderung des Gewinns pro Aktie
- Reales Umsatzwachstum
- Änderung der Gewinnmarge
- Änderung der Zahl an ausstehenden Aktien (u. a. wegen Aktienrückkäufen)
3. Dividendenrendite
Langfristig muss der reale Ertrag einer Anlage in Aktien der erwirtschafteten Eigenkapitalrendite der Aktienunternehmen entsprechen. Unternehmen können nämlich ihre erwirtschaftete Eigenkapitalrendite verwenden für die Auszahlung von Dividenden, für den Rückkauf von Aktien sowie für eine Reinvestition ins Unternehmen. Daher muss die Summe aus realem Umsatzwachstum (als Resultat der Reinvestitionen) plus Aktienrückkäufen plus Dividendenrendite langfristig der Eigenkapitalrendite entsprechen. Wir unterstellen, dass Unternehmen weltweit langfristig eine Eigenkapitalrendite von 6 Prozent erwirtschaften. Die Eigenkapitalrendite ist eine reale Größe (reales Umsatzwachstum plus Änderung der Zahl an ausstehenden Aktien plus Dividendenrendite = konstant = 6 Prozent).
Darüber hinaus tendieren das Kurs-Gewinn-Verhältnis und die Gewinnmargen der Unternehmen über einen sehr langen Zeitraum von mehr als 20 Jahren seitwärts. Über einen Zeitraum von zehn Jahren sind die Gewinnmargen und das Kurs-Gewinn-Verhältnis jedoch nicht konstant, sondern schwanken. Hier verwenden wir die vereinfachende Annahme, dass eine heute zu beobachtende Abweichung vom Mittelwert sich über eine Periode von zehn Jahren wieder korrigiert.
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