Der Kampf der Sparer gegen die Inflation
Kapitalmarktexpertin Schulze Palstring vom Bankhaus Metzler über Sachwerte gegen die Krise, Haken bei höheren Festgeldzinsen und die Nachteile von Gold und Bitcoin.
Frau Schulze Palstring, viele Anleger sind verzweifelt. Die Inflation beträgt fast 8 Prozent, die EZB reagiert nur langsam. Gibt es überhaupt noch eine Chance, sein Geld gegen die Inflation zu schützen?
Kurzfristig leider nicht. Alle Klassen von liquiden Anlageprodukten sind in diesem Jahr real bisher im Minus, mit Ausnahme von Rohstoffen. Es ist also sehr schwer, in solch einer Situation sein Vermögen zu erhalten. Selbst wer sein Geld bar unters Kopfkissen legt, wird von der Inflation getroffen und erleidet real, also nach Inflation, einen Vermögensverlust.
Viele Sparer haben in der Niedrigzinsphase ihr Geld einfach auf dem Girokonto stehen lassen, weil es ja auf Sparkonten ohnehin keine Zinsen gab. Kommt jetzt mit der Zinswende die Zeit, das zu ändern?
Aktuell noch nicht. Sparzinsen bleiben auf Sicht unattraktiv.
Trotz Zinswende werden Sparer auf absehbare Zeit bei keiner Bank genug Zinsen bekommen, um eine solche Inflation auszugleichen?
So ist es. Wir erwarten zwar steigende Leitzinsen in der Eurozone im Juli. Die langfristigen Kapitalmarktzinsen sind im Vorgriff darauf schon gestiegen, auf 1,4 Prozent für Bundesanleihen mit zehn Jahren Laufzeit. Aber das reicht noch nicht annähernd, um die Inflation auszugleichen. Ich wäre auch vorsichtig, wenn Anbieter jetzt mit auffällig hohen Festgeldzinsen werben. Oftmals steckt dahinter dann doch in irgendeiner Form ein höheres Risiko.
Gibt es denn Anleihen, mit denen Anleger derzeit die Inflation schlagen können?
Es gibt durchaus Anleihen mit einer Rendite von mehr als acht Prozent. Damit könnte man formal die Inflation schlagen. Aber man müsste dafür Anleihen einsetzen, bei denen es hohe Kredit-, Währungs- oder Durationsrisiken gibt, bei denen also die Gefahr eines Ausfalls oder hoher Kursverluste besteht. Da wäre ich vorsichtig.
Halten Sie Gold für einen guten Inflationsschutz?
In den 1970er-Jahren hat Gold als Inflationsschutz gut funktioniert. Im Moment ist das aber anders. Der Goldpreis leidet unter dem starken Dollar und dem Zinsanstieg bei Anleihen, die damit zu einer attraktiveren Alternative werden. Etwas Gold zur Absicherung im Vermögen ist sicher nicht schlecht, wie eine Art Stoßdämpfer. Die langfristige Wertentwicklung von Gold ist im Vergleich zu anderen Anlageklassen jedoch eher enttäuschend.
Eine Alternative, die Kryptowährung Bitcoin, hat zuletzt auch ziemlich enttäuscht …
Bitcoin wurden zeitweise ähnliche Eigenschaften wie Gold zugeschrieben, etwa eine unabhängige Wertentwicklung von traditionellen Assetklassen oder gar ein potentieller Inflationsschutz. Die Kryptowährung verhält sich in diesem Jahr jedoch nicht so wie Gold, sondern eher wie Technologieaktien. Deren Kurse haben auch stark nachgegeben. Ich bezweifle, dass Bitcoin bei einer Diversifizierung, also einer Streuung der Anlage, gegenüber Aktien tatsächlich helfen. Kryptowährungen gehören für uns nicht zu den Geldanlagen, die sich bewerten lassen, sondern zur Welt der Spekulation. Daher berücksichtigen wir Bitcoin auch nicht im Rahmen unserer Vermögensverwaltung.
Helfen Immobilien und Immobilienfonds gegen Inflation?
Der Immobilienmarkt hat wie der Aktienmarkt in den vergangenen Jahren massiv von den niedrigen Zinsen profitiert. Während es beim Aktienmarkt schon eine Korrektur gab, war beim Immobilienmarkt in Deutschland davon bislang noch nicht viel zu sehen. Ich gehe deshalb davon aus, dass eine Bewertungskorrektur noch kommt. In der Inflation ist es zwar eine gute Strategie, auf Sachwerte zu setzen. Aktuell würde ich Aktien Immobilien jedoch vorziehen.

Die Aktienkurse haben zuletzt aber starke Nerven gefordert. Warum meinen Sie, Anleger sollten im Kampf gegen die Inflation trotzdem in erster Linie auf Aktien setzen?
Aktien zählen zu den sogenannten Substanzwerten. Im Unterschied zu Nominalwerten wie etwa Anleihen bieten sie einen recht guten Schutz vor Inflation. Hinter den Aktien steht eine Beteiligung am Produktivvermögen. Viele Unternehmen können, zum Teil mit Zeitverzögerung, die gestiegenen Preise an ihre Kunden weitergeben. Davon profitieren die Aktionäre. Bei Anleihen ist das anders, es handelt sich um ein Geldversprechen: Da können die Schuldner ihre Schuld später auch zu gesunkener Kaufkraft zurückzahlen - zu Lasten der Anleihegläubiger.
Kann man denn sagen, welche Aktien gut gegen die Inflation sind?
Nicht alle Unternehmen sind gleichermaßen in der Lage, steigende Kosten weiterzugeben. Investoren sollten daher Aktien von Qualitätsunternehmen mit einer hohen Preissetzungsmacht bevorzugen und diejenigen Firmen meiden, die besonders hohen Lohndruck zu befürchten haben oder stark energieabhängig sind. Hinsichtlich der Frage, ob man jetzt eher in Growth-Aktien, also Wachstumswerte, oder Value-Aktien, also klassische Substanzwerte, investieren soll, fällt die Entscheidung derzeit gar nicht so leicht. Am Markt gibt es eine eher seltene Konstellation: Zinsängste gehen mit Rezessionsängsten einher. Erstere sprechen gegen Wachstumsaktien, Letztere gegen Value-Aktien. Statt ständig hin und her zu wechseln ist es sinnvoll, beide Investmentstile ausgewogen zu gewichten. Jedoch sollte man darauf achten, besonders zyklische oder besonders hoch bewertete Unternehmen zu meiden. Bei den Branchen setzen wir derzeit auf den Gesundheitssektor („Healthcare“) und Anbieter von Basiskonsumgütern („Consumer Staples“) wie Haushalts- und Pflegeprodukten und Nahrungsmitteln.
Könnte es zu einem Problem werden, dass Anleger, die auf Aktien zum Schutz gegen die Inflation setzen, dann Opfer einer globalen Rezession werden?
Natürlich ist nicht gesagt, dass Aktien innerhalb der nächsten zwei Monate die Inflation schlagen. Die Kurse können sogar noch weiter fallen - insbesondere im Falle einer Rezession. Aber mittel- bis langfristig werden sich Aktien von einer hohen Qualität wieder erholen und sind damit eine gute Möglichkeit, ein Vermögen gegen Krisen abzusichern. „Opfer einer Rezession“ wird vor allem derjenige Aktienanleger, der die Nerven verliert, einen zu geringen Zeithorizont mitbringt oder in spekulative Titel investiert.
Aber auf die kurze Sicht haben Anleger dann angesichts eines risikofreien Zinses weit unter der Inflationsrate tatsächlich nur die Wahl zwischen einem kontrollierten Verlust oder womöglich unkontrollierbaren Risiken?
Manche Menschen mögen es als unkontrollierbares Risiko empfinden, wenn sie ihr Geld in Aktien anlegen, statt es auf dem Girokonto zu halten, weil die Kurse schwanken. Kursschwankungen per se sind jedoch keine echte Gefahr für Vermögen. Sie resultieren aus dem ständigen Einpreisen neuer Informationen. Nicht selten kommt es zu Übertreibungen in die eine oder andere Richtung. Investoren sollten sich davon jedoch nicht verunsichern lassen - solange die Qualität der Unternehmen stimmt und für ausreichend Diversifikation im Portfolio gesorgt ist. Beunruhigend finde ich vielmehr die Bereitschaft vieler Anleger, mit Geld auf dem Girokonto einen sicheren realen Vermögensverlust hinzunehmen.
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