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Kapitalmarktkommentar Juli 2022 - 12.7.2022

Das Dilemma der Notenbanken

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Nach der Krise ist vor der Krise? Im Jahr 2020 kam es durch den Ausbruch der Coronapandemie zur schwersten Rezession der Nachkriegszeit. Dank üppiger staatlicher und geldpolitischer Hilfsmaßnahmen konnte sich die Konjunktur jedoch erstaunlich schnell wieder erholen. Gerade einmal zwei Jahre später kursieren nun erneut Rezessionssorgen unter den Marktteilnehmern. Dabei geht es mittlerweile weniger um die Frage, ob es zu einer rückläufigen Wirtschaftsaktivität in den Industrieländern kommt, sondern vielmehr um das Ausmaß und die Dauer des bevorstehenden Konjunkturabschwungs. Wir geben im Nachfolgenden einen Überblick über das veränderte makroökonomische Umfeld, gestiegene Konjunkturrisiken und die Implikationen für die Vermögensanlage.

 

Straffere Geldpolitik sorgt für Konjunkturabkühlung

Dreh- und Angelpunkt für den globalen Konjunkturausblick ist aktuell die Inflationsentwicklung. Zuletzt erreichten die jährlichen Steigerungsraten in den USA und in der Eurozone einen Wert von mehr als 8 %. Um die Inflationsrate wieder auf die Zielmarke von 2 % zurückzuführen, erhöhen Notenbanken rund um den Globus die Leitzinsen.

Eine moderate Abkühlung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage ist dabei durchaus gewünscht oder wird zumindest billigend in Kauf genommen, um die Preise zu stabilisieren und einem weiteren Anstieg der Inflationserwartungen vorzubeugen. Da die Konjunktur aber nur mit Zeitverzug auf Veränderungen in der Zinslandschaft reagiert, laufen die Währungshüter oftmals Gefahr, die Zinsschraube zu überdrehen und dadurch eine Rezession in der Realwirtschaft auszulösen („Hard Landing“). Das belegt auch die Statistik: Nur in 3 von 11 Zinserhöhungszyklen seit 1965 gelang es der Federal Reserve in den USA eine Rezession zu vermeiden („Soft Landing“).

Inflation begrenzt Handlungsspielraum der Notenbanken

In den vergangenen 40 Jahren konnten aber die Notenbanken vieler Industrieländer auch im Falle eines „Hard Landings“ schnell reagieren – dank des abnehmenden Inflationsdrucks. Wenn es zu einer Rezession kam, senkten sie die Zinsen umgehend wieder und entlasteten damit die Wirtschaft (siehe Grafik). 

Abnehmender Inflationsdruck ermöglichte Zinssenkungen im Falle von Rezessionen
US-Verbraucherpreise in % ggü. Vj. und US-Leitzins in %

Quellen: FactSet, Metzler; Stand: Mai 2022 (Inflation), Juni 2022 (Leitzins)

Bis auf wenige Ausnahmen gelang es den Notenbanken durch ihr antizyklisches Verhalten, die Intensität von Rezessionen zu begrenzen und die Konjunkturzyklen zu glätten (Phase der „Great Moderation“).

Doch die ständige Bereitschaft zur Unterstützung kann im aktuellen Umfeld nicht mehr vorausgesetzt werden – zumindest nicht, solange die Inflationsgefahren nicht gebannt sind. Die Währungshüter befinden sich in einem Dilemma aus Preis- und Konjunkturrisiken und haben dadurch massiv an Handlungsspielraum verloren. 
Anleger sind also gut beraten, sich auf eine Phase erhöhter Makrovolatilität einzustellen – sofern die Inflationsraten nicht nachhaltig auf die Zielmarke von 2 % sinken. 

Damit drängt sich unweigerlich die Frage auf, wo wir aktuell im Konjunkturzyklus stehen und wie resilient die verschiedenen Volkswirtschaften gegenüber den zahlreichen vorherrschenden Belastungsfaktoren sind. 

USA: Rezessionsrisiken deutlich gestiegen

Die größte Volkswirtschaft der Welt steht derzeit im Verdacht, bereits im zweiten Quartal 2022 in eine (technische) Rezession gefallen zu sein. Nach einem moderat negativen Wirtschaftswachstum von -0,4% im ersten Vierteljahr, prognostiziert die Federal Reserve Bank of Atlanta nun einen abermaligen Rückgang der Wirtschaftsleistung im zweiten Quartal. Damit dürfte die Talfahrt in den Konjunkturdaten aber leider noch nicht beendet sein. Steigende Zinsen, schwindende Ersparnisse der Konsumenten, hohe Lebenshaltungskosten und Abschwächungssignale am US-Immobilienmarkt deuten auf eine weitere Abkühlung hin. Wie lange diese Phase andauern wird, ist heute nur schwer abzusehen. Schlechte Nachrichten könnten allerdings irgendwann zu guten Nachrichten werden – und zwar dann, wenn die nachlassende gesamtwirtschaftliche Nachfrage dafür sorgt, dass die Rohstoffpreise sinken und die Inflation den Rückwärtsgang einlegt. Notenbanken stünden dann nicht mehr unter Druck, die Zinsen aggressiv zu erhöhen.

Gefahren einer Systemkrise derzeit (noch) gering

Bis dahin gilt es, Systemrisiken im Auge zu behalten. Denn gefährlich und langatmig war eine Rezession in der Vergangenheit vor allem dann, wenn es große makroökonomische Ungleichgewichte gab, die außer Kontrolle gerieten und das Bankensystem belasteten – etwa eine toxische Kombination aus hohen Immobilienpreisen und privater Überschuldung. 

Die US-Häuserpreise steigen dynamisch, aber die private Verschuldungsquote ist deutlich geringer als 2008
Hauspreise ggü. Vj. in % und Verschuldung in % des BIP

Quellen: Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, FactSet, Metzler; Stand: Dezember 2021 (Verschuldung), April 2022 (Immobilienpreise)

Eine solche Konstellation ist derzeit nicht abzusehen: Auch wenn die Häuserpreise in den USA seit Ausbruch der Pandemie noch einmal besonders stark gestiegen sind, liegt die Verschuldungsquote der privaten Haushalte aktuell deutlich unterhalb des Niveaus der Finanzkrise. Hinzu kommt, dass der Anteil von neu abgeschlossenen Immobilienkrediten mit einer variablen Verzinsung heute nur noch bei rund 11 % der Gesamtkredite liegt (2005 betrug er noch etwa 37 %). Zinserhöhungen machen sich also nicht sofort, sondern erst im Zeitablauf beim Schuldendienst bemerkbar. Nicht zuletzt trägt auch die deutlich verbesserte Kapitalausstattung des Bankensektors zu einer erhöhten Widerstandskraft des US-Finanzsystems bei.

Europa: Damoklesschwert Gasversorgung

Auch in Europa haben sich die Konjunkturperspektiven eingetrübt. Probleme in den Lieferketten, hohe Energiepreise und geopolitische Unsicherheiten in direkter Nachbarschaft belasten die Wirtschaftsaktivität. Es gibt jedoch auch positive Faktoren, die den kurzfristigen Rezessionsrisiken in der Eurozone – zumindest teilweise – entgegenwirken: Die hiesigen Firmen profitieren exportseitig von einem günstigen Wechselkurs, hohen Auftragsbeständen und Nachholeffekten aus Pandemiezeiten. Eine abnehmende globale Nachfrage sollte also erst mit Zeitverzug zu einem größeren Problem für europäische Unternehmen werden. Auch die Finanzierungskosten sind aufgrund der zögerlichen Haltung der Europäischen Zentralbank (EZB) in der Eurozone derzeit deutlich geringer als in den USA. 

Vor Arglosigkeit sei dennoch gewarnt: Über dem Konjunkturausblick für Europa hängt das Damoklesschwert der Energieversorgung. Insbesondere die großen Volkswirtschaften Deutschland und Italien sind stark von russischem Gas abhängig. Mit der Drosselung der Zufuhr über die Pipeline Nord Stream 1 auf etwa 40 % der üblichen Liefermenge ist es deutlich schwieriger geworden, die für den Winter notwendigen Speicherfüllstände zu erreichen. Aktuell sind wir von den geplanten 90 % für November in Deutschland noch weit entfernt (siehe Grafik).

Die Erdgasspeicher sind aktuell zu knapp 60 % gefüllt
Auslastung der Erdgasspeicher in Deutschland in %

Quellen: Gas Infrastructure Europe, Metzler; Stand: 28. Juni 2022

Unter der Voraussetzung von (freiwilligen) Verbrauchseinsparungen, der Inbetriebnahme zusätzlicher Flüssiggasterminals zum Jahresbeginn 2023 und dem vermehrten Einsatz anderer fossiler Brennstoffe bei der Stromerzeugung, könnte nach aktueller Einschätzung vieler Experten die Versorgung in den Wintermonaten jedoch noch sichergestellt werden – sofern die klimatischen Bedingungen nicht für zusätzliche Herausforderungen sorgen. Eine weitere zugrunde liegende Annahme ist, dass die deutschen Gasexporte in europäische Nachbarländer ausgehend vom Stand Ende Juni nicht steigen. Sollte Russland allerdings dazu übergehen, die Gaslieferungen nach den (geplanten) zehntägigen Wartungsarbeiten an Nord Stream 1 komplett einzustellen oder weiter zu drosseln, scheint eine staatliche Rationierung in Deutschland in den Wintermonaten unumgänglich. Für diesen Fall ist mit Produktionskürzungen und besonders stark steigenden Energiekosten zu rechnen. Eine (schwere) Rezession wäre dann in Deutschland wohl kaum vermeidbar, selbst wenn der Staat Unternehmen und Haushalte subventionieren würde. 

China: Konjunktur erholt sich langsam

Während die Wachstumsprognosen für die westliche Welt sukzessive nach unten korrigiert werden, scheint sich die Konjunktur in China allmählich zu erholen. Zwar ist die Regierung offiziell noch immer nicht von der Zero-Covid-Strategie abgerückt, die großzügigen Finanzhilfen sorgen jedoch dafür, dass sich die Wirtschaft inzwischen stabilisiert. Im Unterschied zu den Industrieländern ist die Inflation im Reich der Mitte gering und die Notenbank steht nicht unter Zugzwang, die Zinsen zu erhöhen. Auch von steigenden Energiepreisen ist China weniger stark betroffen. Die Chancen für eine moderate Konjunkturerholung in China stehen also gut – sofern es nicht zu neuen, umfassenden Lockdowns kommt. Unter dieser Bedingung könnten sich perspektivisch auch die Probleme in den Lieferketten auflösen, wovon letztlich auch die Industrieländer profitieren sollten. 

Fazit: Unsicherheiten bleiben vorerst hoch

Vorerst bleiben die Unsicherheiten rund um die globale Konjunkturentwicklung hoch. Die „Vollkaskoversicherung“ durch die Notenbanken entfällt und Anleger müssen sich auf eine erhöhte Volatilität einstellen. Das bedeutet jedoch nicht, dass Investoren dem Aktienmarkt fernbleiben sollten. Ganz im Gegenteil: Die hohe Inflation spricht noch immer für Sachwerte, zu denen auch Aktien zählen. Ein Großteil der Rezessionsrisiken dürfte zudem bereits eingepreist sein (siehe Abschnitt Kapitalmarkt). Eines gilt es jedoch grundsätzlich zu bedenken: In einem Umfeld erhöhter Makrovolatilität dürfte eine aktivere Positionierung in den Portfolios wieder stärker gefragt sein. 


Kapitalmarkt: Schwieriges Umfeld für Anleger

Für Anleger gibt es im aktuellen Marktumfeld kaum Möglichkeiten, einer negativen Kursentwicklung zu entkommen. Es notieren nämlich nicht nur die meisten Aktienmärkte im Minus, sondern auch andere Anlagen wie Staats- oder Unternehmensanleihen und sogar das als Krisenwährung geltende Gold (siehe folgende Grafik). Einzig an den Rohstoffmärkten liegen noch einige Werte im Plus – ausgelöst durch eine Vielzahl an Sonderfaktoren. Nach dem Börsenboom im vergangenen Jahr, der durch eine expansive Geld- und Fiskalpolitik unterstützt wurde, folgt nun die Katerstimmung. Die Verschlechterung des Kapitalmarktumfelds dürfte vor allem auf die hohe Inflation zurückzuführen sein, die Notenbanken weltweit dazu zwingt, ihre Geldpolitik mittels Zinserhöhungen deutlich restriktiver zu gestalten. Sonderfaktoren wie der Krieg in der Ukraine oder die Corona-Situation in China verschlimmern die Lage, da sie den Anstieg der Teuerungsraten weiter befeuern. Für die meisten Anleger dürfte es sich deshalb wie der perfekte Sturm anfühlen, der in diesem Jahr über den Kapitalmarkt hinwegfegt.

Im laufenden Jahr notieren fast alle Anlageklassen im Minus
Wertentwicklung* in lokaler Währung im laufenden Jahr in %

Quellen: FactSet, Metzler; Stand: 30. Juni 2022

* Aktienmärkte auf Basis von MSCI Indizes, Staatsanleihen mit Laufzeit von 7–10 Jahren und Unternehmensanleihen im Segment „Investment Grade“, Anleihen jeweils auf Basis von ICE BofA Indizes

Aktienmarkt: In den USA bereits Rezession eingepreist

In unruhigen Börsenzeiten gilt der erste Blick vieler Marktbeobachter häufig dem Aktienmarkt. US-Aktien (gemessen am Index MSCI USA) verloren in den ersten sechs Monaten dieses Jahres etwas mehr als 20 % an Wert, was gleichbedeutend ist mit dem schlechtesten Halbjahresergebnis seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1970. Allein diese Schlagzeile sorgte für reichlich Verunsicherung unter vielen Anlegern. Richtig einordnen lässt sich dieses Ergebnis jedoch erst, wenn der aktuelle Einbruch an den Märkten mit vergangenen verglichen wird – und zwar unabhängig von Kalenderdaten. Demnach entspricht der maximale Kursverlust in diesem Jahr etwa dem durchschnittlichen Rückgang bei vergangenen US-Rezessionen (siehe folgende Grafik). In den derzeitigen Kursniveaus dürfte also bereits eine Vielzahl an negativen Nachrichten verarbeitet sein. Eine schwere Systemkrise – wie zum Beispiel die Finanzkrise 2008 – könnte hingegen zu weiteren Kursverlusten führen. Letzteres erwarten wir allerdings nicht in unserem Basisszenario.

Kursverlust von US-Aktien vergleichbar mit Rückgängen bei vergangenen Rezessionen
Maximaler Kursverlust während Rezessionen ab 1970 in %*

Quellen: FactSet, Metzler; Stand: 30. Juni 2022

* Auf Basis des Index MSCI USA (bis 1980 mit Monatsdaten gerechnet) ** Savings-and-Loan-Krise in den USA

Der europäische Aktienmarkt verzeichnete in diesem Jahr zwar ebenfalls Kursverluste, jedoch fallen diese mit circa -15 % im MSCI Europe Index geringer aus als in den USA. Die niedrigere Aktienmarktbewertung in Europa machte die Börsen hierzulande weniger anfällig für steigende Zinsen als in den USA.

Aktienmarktbewertung deutlich gesunken

Aufgrund der zuletzt gestiegenen Finanzierungskosten sind die Aktienmarktbewertungen wieder schlagartig in den Fokus vieler Anleger gerückt, was einer echten Trendwende gleichkommt. In Zeiten von Null- und Negativzinsen wurden hoch bewertete Unternehmen immer teurer, während sich günstigere Titel unterdurchschnittlich entwickelten. Nun hat sich der Wind jedoch gedreht: Derzeit geraten vor allem (vormals) teure Aktien unter Druck. Unternehmensbewertungen als Kriterium der Aktienselektion feiern im Umfeld steigender Zinsen ein Comeback.

Die durchschnittlichen Aktienmarktbewertungen – gemessen am Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) – sind zuletzt spürbar gesunken. In Europa liegt das KGV bereits unter dem langjährigen mittleren Wert. Aktien sind gemäß dieser Kennzahl also wieder günstiger zu erwerben als im Schnitt der vergangenen Jahre. Auch bei US-Aktien ist die Bewertung in den vergangenen Wochen deutlich zurückgegangen. Auf den aktuellen Kursniveaus bieten sich daher sogar wieder vereinzelt interessante Einstiegsgelegenheiten. Dennoch ist im aktuell undurchsichtigen Börsenumfeld Vorsicht geboten: Die zum Teil wieder attraktiveren Bewertungsniveaus stützen sich auf hohen Gewinnerwartungen der Marktteilnehmer für dieses Jahr, von denen wir erwarten, dass sie im Laufe des zweiten Halbjahres nach unten korrigiert werden. Dies könnte temporär für weitere Verunsicherung an den Märkten sorgen.

Defensivere Positionierung bevorzugt

Das globale Marktumfeld wird aktuell von vielen exogenen Faktoren bestimmt (Krieg, Corona, Energiepreise, Lieferketten usw.), deren zukünftiger Verlauf nur sehr schwer bis gar nicht zu prognostizieren ist. Sollten sich einige dieser Themen zukünftig entspannen, könnte dies zu einer kurzfristigen Rally am Aktienmarkt führen. Eine nachhaltige Trendwende erwarten wir jedoch zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht. Es ist durchaus möglich, dass bei einer Verschärfung der aktuellen Lage die Kurse noch weiter nachgeben. Im derzeit sehr volatilen und unsicheren Marktumfeld halten wir es deshalb für das Beste, mit einer reduzierten Aktienquote und einem ausgewogenen Branchenmix im Portfolio positioniert zu sein. Den (zuvor erhöhten) Anteil zyklischer Titel haben wir in den vergangenen Monaten zugunsten defensiver Aktien reduziert. 

In jedem Falle aber investieren wir in Firmen, die unseres Erachtens über ein funktionierendes Geschäftsmodell verfügen und eine überdurchschnittliche Ertrags- und Bilanzqualität aufweisen. Letzteres sorgt für eine gewisse Widerstandsfähigkeit, sollte die Konjunkturdelle länger andauern. Darüber hinaus meiden wir derzeit Unternehmen, die über ein sehr energieintensives Geschäftsmodell verfügen – wohlwissend, dass die Datenlage dünn ist und meist Vorprodukte und Lieferanten nicht umfasst. Zuletzt hilft die installierte Teilabsicherung im Portfolio, etwaige Aktienkursverluste etwas abzufedern.

Anleihen mit langen Laufzeiten stehen stark unter Druck

Der Anleihemarkt geriet im bisherigen Jahresverlauf mindestens genauso stark unter Druck wie der Aktienmarkt. Gerade bei Schuldverschreibungen mit einer langen Laufzeit nahmen die Kursverluste im ersten Halbjahr sogar teils historische Dimensionen an (siehe folgende Grafik).

Anleihen mit langen Laufzeiten verlieren deutlich an Wert
Wertentwicklung im laufenden Jahr in %*

Quellen: FactSet, Metzler; Stand: 30. Juni 2022

* Auf Basis von ICE BofA Indizes

Grund für den starken Abverkauf ist die Zinswende. Für viele Notenbanken hat der Kampf gegen die hohen Teuerungsraten mittlerweile oberste Priorität. Nach allgemeiner Einschätzung dürften nämlich die Wohlstandsverluste durch langfristig zu hohe Inflationsraten höher ausfallen als eine durch Zinserhöhungen temporär rückläufige gesamtwirtschaftliche Nachfrage. 

Auch die Europäische Zentralbank steht vor der Mammutaufgabe, die rekordhohe Inflation von 8,6% gegenüber Vorjahr wieder einzudämmen. Dabei gleicht die Zinswende einem Balanceakt, einerseits mit steigenden Leitzinsen gegen die hohe Inflation vorzugehen und andererseits die Finanzstabilität in der Eurozone zu wahren. In einem Umfeld steigender Zinsen fordern Anleger für risikobehaftete Wertpapiere höhere Renditeaufschläge. Damit steigen die Finanzierungskosten von Ländern wie Italien oder Spanien schneller als beispielsweise die von Deutschland. Einige Marktteilnehmer sorgen sich daher um eine erneute Fragmentierung der Eurozone, vergleichbar mit der Situation während der europäischen Staatsschuldenkrise ab dem Jahr 2010. Die Renditedifferenz zwischen zehnjährigen italienischen und deutschen Staatsanleihen ist in den vergangenen Wochen gestiegen und betrug in der Spitze bis zu 2,4 %-Punkte. Diese Zinsdifferenz ist im historischen Kontext zwar nicht außergewöhnlich hoch, jedoch bereitete die Dynamik des Anstieges den Währungshütern Sorge. Sie werden daher voraussichtlich noch in diesem Monat neue Instrumente vorstellen, um einem Auseinanderdriften von Staatsanleiherenditen in der Eurozone zukünftig entgegenwirken zu können. Allein diese Ankündigung sorgte zuletzt für etwas Beruhigung bei Staatsanleihen der südlichen Euroländer.

Marktteilnehmer erwarten Leitzins von knapp 1 % bis Ende dieses Jahres in der Eurozone

Die EZB wird voraussichtlich noch im Juli erstmals seit 2011 die Zinsen erhöhen. Wir rechnen damit, dass weitere Zinsschritte folgen werden. Die Mehrheit der Marktteilnehmer geht aktuell von einem Leitzins von knapp 1 % bis Jahresende aus . Diese Schätzung halten wir für ambitioniert, aber nicht unrealistisch, sollte die Inflation im Laufe des zweiten Halbjahres nicht spürbar sinken. Die US-amerikanische Notenbank hat in diesem Jahr bereits die Leitzinsen von 0,25 auf 1,75 % erhöht. Bis Jahresende dürften diese auf ein Niveau von über 3 % steigen.

Angesichts steigender Leitzinsen bei gleichzeitig abnehmenden Konjunkturindikatoren dürfte die Nervosität am Anleihemarkt in den kommenden Monaten hoch bleiben. Die Renditen bleiben dabei schwankungsanfällig. 

Im aktuellen Umfeld präferieren wir Anleihen mit kurzen Laufzeiten, um Durationsrisiken bei weiter steigenden Renditen zu begegnen. Gleichzeitig setzen wir im Anleiheportfolio auf Schuldner mit einer guten Bonität.

Carolin Schulze Palstring
Carolin Schulze Palstring

Leiterin Kapitalmarktanalyse
Metzler Private Banking

Carolin Schulze Palstring leitet seit April 2019 die Kapitalmarktanalyse von Metzler Private Banking in Frankfurt am Main. Zuvor war sie sechs Jahre im selben Bereich als Analystin für Makroökonomie tätig. Von 2012 bis 2013 absolvierte sie ein Investment-Trainee-Programm bei Metzler. Frau Schulze Palstring studierte Betriebswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Bankwesen an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg, Karlsruhe, und war gleichzeitig bei der Deutschen Bank Privat- und Geschäftskunden AG in Düsseldorf tätig. 2012 erwarb sie zudem einen Master of Letters in Finance and Management an der University of St. Andrews.

Michael Mayer
Michael Mayer

Kapitalmarktanalyst
Metzler Private Banking

Michael Mayer arbeitet seit 2018 als Kapitalmarktanalyst bei Metzler Private Banking. Zuvor war er im Portfoliomanagement Private Banking zuständig für quantitative Analysen. Von 2015 bis 2017 war er als Junior-Kundenbetreuer tätig, nachdem er von 2014 bis 2015 ein Investment-Trainee-Programm bei Metzler absolviert hatte. Herr Mayer studierte Wirtschaftswissenschaften an der Universität Hohenheim und erwarb 2014 einen M. Sc. in Finance an der Frankfurt School of Finance & Management.

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