Die Lohndynamik ist die entscheidende Größe für den Zinsausblick
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In einer perfekten Welt steigen die Löhne genau in der gleichen Höhe wie die Wachstumsrate der Produktivität plus Zielinflationsrate der Zentralbank. Die Wachstumsrate der Lohnstückkosten ist dann identisch zur Zielinflationsrate der Zentralbank.
Die Welt ist jedoch nicht perfekt, da es Konjunkturzyklen und Preisschocks gibt. So zeigt eine einflussreiche Studie aus den USA1, dass auch noch die Arbeitslosenquote, die kurzfristigen Inflationserwartungen sowie die vergangene realisierte Inflation auf die Lohnfindung einwirken. Die Arbeitslosenquote spiegelt dabei die konjunkturelle Lage wider, während die vergangene Inflation und die Inflationserwartungen eine Reaktion auf Preisschocks sein können.
Ein für mich sehr überraschendes Ergebnis der Studie war, dass die langfristigen Inflationserwartungen (5 bis 10 Jahre), die sich in der Regel am Inflationsziel der Notenbank orientieren, überhaupt keine Rolle bei der Lohnfindung spielen. Empirisch scheinen sich die Arbeitnehmer und Arbeitgeber bei der Lohnfindung zu 60 Prozent an der vergangenen Inflation und zu 40 Prozent an ihren Inflationserwartungen für das kommende Jahr zu orientieren.
Zusammengefasst lässt sich die Lohnentwicklung also folgendermaßen erklären:
Lohn = Produktivität + Arbeitslosenquote + realisierte Inflation + 1-jährige Inflationserwartungen
Eurozone: Lohndynamik beschleunigt sich
Noch im Frühjahr 2021 verzeichneten die Löhne in der Eurozone ein Wachstum von unter 1,5 Prozent; im Juli dieses Jahres scheint schon ein Wachstumsniveau von etwa 2,5 Prozent erreicht worden zu sein.
Der erste Grund für die Beschleunigung der Lohndynamik dürfte der überhitzte Arbeitsmarkt sein. Die OECD schätzt, dass bei einer Arbeitslosenquote von 7,6 Prozent die inflationsneutrale Vollbeschäftigung erreicht ist.
Im August vergangenen Jahres fiel die Arbeitslosenquote (Donnerstag) zum ersten Mal in diesem Konjunkturzyklus unter dieses Niveau und erreichte im Juni 2022 sogar einen Wert von 6,6 Prozent.
Der zweite Grund dürfte sein, dass einerseits die realisierte Inflation (Mittwoch) bald im zweistelligen Bereich liegen wird und andererseits die 1-jährigen Inflationserwartungen ungewöhnlich hoch sind. So stiegen die 1-jährigen Inflationsswaps im August auf etwa 7,0 Prozent. Die Inflationserwartungen der privaten Haushalte, die im Rahmen des Konsumentenvertrauens (Dienstag) abgefragt werden, dürften vor diesem Hintergrund im August auch einen Sprung nach oben gemacht haben.
Insgesamt spricht also vieles dafür, dass derzeit erhöhte Risiken für die Entstehung einer Lohn-Preis-Spirale in der Eurozone bestehen.
Eurozone: Rezession kein Inflationsdämpfer
Die Eurozone wird aufgrund der Energiepreisentwicklung eine Rezession bis Frühjahr 2023 erleiden, ab April sinkt witterungsbedingt der Energieverbrauch in der Regel wieder merklich. Die Einkaufsmanagerindizes (Donnerstag) dürften sich daher gegenüber der ersten Schätzung nochmals verschlechtert haben. Aufgrund von Basiseffekten bei den Energiepreisen dürfte dann auch die realisierte Inflation merklich sinken. Der Druck auf die Löhne könnte sich dadurch entspannen. Die Frage ist dann nur, wie tief wird die Inflation fallen?
Im Gegensatz dazu könnte anhaltender Druck auf die Löhne vom Arbeitsmarkt kommen. Viele Unternehmen leiden schon jetzt unter Arbeitskräftemangel und könnten daher auf Entlassungen in der Rezession verzichten aus Angst, im dem der Rezession folgenden Aufschwung die dann benötigten Arbeitskräfte am Arbeitsmarkt nicht mehr zu finden.
Die EZB muss vor diesem Hintergrund trotz der Rezession im Frühjahr 2023 den Leitzins bis auf 1,25 Prozent anheben. Im zweiten Halbjahr 2023 dürften dann noch weitere Schritte bis auf 2,0 Prozent folgen. Die Frage wird dann sein, ob ein Leitzins von 2,0 Prozent ausreicht, die Arbeitslosenquote wieder auf ein Niveau von über 7,6 Prozent zu bringen. Nur wenn die tatsächliche Arbeitslosenquote über der inflationsneutralen Vollbeschäftigung liegt, fällt die Wachstumsrate der Löhne wieder.
USA: starker Arbeitsmarkt trotz Rezession?
Die Anzeichen einer nahenden Rezession in den USA mehren sich. So ist unter anderem der Frühindikator des Conference Boards in den vergangenen drei Monaten deutlich gefallen. Auch signalisieren eine inverse Renditestrukturkurve, ein schwacher Immobilienmarkt (Immobilienpreise, Dienstag) und die Einkaufsmanagerindizes (Donnerstag) eine Rezession.
Aber auch in den USA ist das Phänomen zu beobachten, dass trotz wirtschaftlicher Schwäche der Arbeitsmarkt noch sehr stark ist. So liegt die Zahl der offenen Stellen (Dienstag) immer noch deutlich über der Zahl der Arbeitslosen (Freitag). Auch beurteilen die Konsumenten (Dienstag) den Arbeitsmarkt immer noch als sehr stark.
Den USA fehlen Arbeitskräfte in einem erheblichen Ausmaß, was ein entsprechend hohes Lohnwachstum zur Folge hat. Sollte sich trotz Rezession der Arbeitsmarkt nicht merklich abschwächen, da Unternehmen keine Arbeitskräfte entlassen, droht eine hohe Lohndynamik und damit eine anhaltend hohe Inflation. Die US-Notenbank müsste dann den Leitzins deutlich stärker anheben, um eine schwere Rezession zu generieren, sodass die Unternehmen gezwungen sind, Arbeitskräfte zu entlassen.
USA: merklicher Rückgang der Inflationserwartungen
Die wirtschaftliche Schwäche kombiniert mit einer US-Notenbank, die sehr gewissenhaft die Inflation bekämpft, haben dazu beigetragen, dass im August die 1-jährigen Inflationsswaps gefallen sind.
Im Rahmen des Konsumentenvertrauens (Dienstag) werden die privaten Haushalte nach ihren Inflationserwartungen für die kommenden 12 Monate gefragt, die eine große Rolle bei der Lohnbildung spielen. Sollten die Inflationserwartungen der privaten Haushalte den Inflationsswaps folgen, wäre mit einem deutlichen Rückgang im August zu rechnen. Zumindest ein Faktor, der die Risiken einer Lohn-Preis-Spirale begrenzt.
Laut Berechnungen des Congressional Budget Office beträgt in den USA die inflationsneutrale Arbeitslosenquote 4,4 Prozent. Im Gegensatz dazu wird mit einem Wert von 3,5 Prozent im August gerechnet. Der Arbeitsmarkt bleibt also vorerst überhitzt.
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