Update der mittelfristigen Ertragserwartungen
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In unserem Update der mittelfristigen Ertragserwartungen versuchen wir die durchschnittlichen nominalen Erträge für die nächsten sieben bzw. 14 Jahre von Aktien und Anleihen zu schätzen. Ergänzt wird die Betrachtung um die Volatilitäten und das Verhältnis der Ertragserwartungen zur Volatilität.
Seit 2016 veröffentlichen wir die langfristigen Ertragsschätzungen – also seit sechs Jahren. Seit 2016 hat der US-amerikanische Aktienmarkt regelmäßig unter allen Aktienmärkten die niedrigste Ertragsschätzung. Tatsächlich verzeichnete der amerikanische Aktienmarkt jedoch mit großem Abstand die beste Wertentwicklung aller Aktienmärkte in den vergangenen fünf Jahren. Über diesen Zeitraum stieg die Bewertung (Kurs-Gewinn-Verhältnis) um etwa 75 Prozent und die Gewinnmargen der Unternehmen um 30 Prozent – entgegen der Modellschätzung einer fallenden Bewertung und fallender Gewinnmargen, da im Modell immer eine Rückkehr zum langfristigen Mittelwert unterstellt wird. Damit zeigt sich eindrücklich, dass die langfristigen Ertragsschätzungen nicht für kurzfristige Prognosen über ein, zwei oder drei Jahre geeignet sind. Die Vergangenheit zeigt jedoch auch immer wieder, dass die Bäume nicht unendlich in den Himmel wachsen und auch die Bewertung und die Gewinnmargen in den USA früher oder später zu den Mittelwerten zurückkehren werden. Die Frage ist dann jedoch, ob sich die vernünftig bewerteten Aktienmärkte im Rest der Welt von fallenden US-Aktienkursen abkoppeln können. Solange die Aktienkurse in den USA nicht zu stark fallen, dürfte eine gewisse Abkopplung und damit eine Outperformance möglich sein.
Immer zu Jahresanfang und zu Jahresmitte veröffentlichen wir ein Update unserer Schätzungen zu den mittelfristigen Ertragserwartungen für verschiedene Finanzanlagen. Dabei unterstellen wir eine langfristige Basisertragskraft für jede Finanzanlage korrigiert um eine Rückkehr ihrer Bewertung zum Mittelwert. Von Konjunkturszenarien sehen wir ab – vielmehr unterstellen wir im konservativen Szenario, dass ein typischer Konjunkturzyklus sieben Jahre dauert, während wir im progressiven Szenario von 14 Jahren ausgehen. Der Grund für die Erstellung eines progressiven Szenarios: Es mehren sich die Anzeichen, dass Konjunkturzyklen seit dem Zweiten Weltkrieg immer länger werden.
Von 1802 bis 2012 erwirtschafteten Anleger mit US-Aktien durchschnittlich einen realen Gesamtertrag von etwa 6,6 Prozent1 pro Jahr. Für alle betrachteten Aktienmärkte unterstellen wir auch auf Basis anderer Studien eine einheitliche langfristige Ertragskraft von real 6,0 Prozent jährlich. Davon ausgehend sind noch zwei Anpassungen notwendig für die mittelfristige Ertragsschätzung. Einerseits ist die Bewertung des Aktienmarktes zu berücksichtigen, andererseits die Höhe der Gewinnmargen der Unternehmen (siehe Anhang). Hierbei gehen wir davon aus, dass sowohl die Bewertung am Aktienmarkt und als auch die Gewinnmargen der Unternehmen über den Betrachtungszeitraum gleichmäßig zu ihrem historischen Mittelwert zurückkehren.
Für den Rentenmarkt unterstellen wir, dass der Realzins der Maßstab der Bewertung ist. Hier unterstellen wir jedoch keine mittelfristige Rückkehr des Realzinses zum historischen Mittelwert, sondern eine Annäherung an den Wachstumstrend der betrachteten Volkswirtschaft. Der Wachstumstrend ist nämlich die Basis, um den Realzins mittelfristig überhaupt erwirtschaften zu können. Bei Unternehmensanleihen, High-Yield-Anleihen und Schwellenländeranleihen gehen wir dagegen von einer Rückkehr der Spreads zum historischen Mittelwert aus. Daneben berücksichtigen wir noch die durchschnittlichen Kreditausfallraten sowie Einbringungsquoten.
Die aktuellen Inflationserwartungen (Inflationsswaps) werden dann in einem nächsten Schritt auf die Schätzung des realen Aktien- und Anleiheertrags aufgeschlagen, um den nominalen Ertrag zu berechnen.
Zum Schluss schätzen wir noch die Kosten einer Währungssicherung, um den erwarteten Ertrag von Finanzanlagen in ausländischer Währung in Euro umrechnen zu können. In der Regel wird eine Währungssicherung über drei Monate abgeschlossen und danach regelmäßig nach drei Monaten über sieben Jahre beziehungsweise über 14 Jahre hinweg erneuert. Die Kosten einer Währungssicherung ergeben sich dementsprechend aus der durchschnittlich zu erwartenden Differenz der Dreimonatszinsen über sieben beziehungsweise 14 Jahre. Die ungedeckte Zinsparität spricht zudem dafür, dass sich über die mittlere Frist die Wertentwicklung einer Anlage in Fremdwährung mit oder ohne Währungssicherung kaum unterscheiden dürfte.
Volatilität
Die Volatilität ist ein Risikomaß. Jeder Anleger wird eine Anlage mit einem durchschnittlichen jährlichen Ertrag von 3 %, die zwischen jährlichen Erträgen von 2 % bis 4 % schwankt, einer Anlage mit gleichem Ertrag bevorzugen, die jedoch zwischen jährlichen Erträgen von 20 % bis -10 % schwankt.
Staatsanleihen gelten als sicherste Anlage, da ein Staat mit eigener Zentralbank die Gläubiger jederzeit ausbezahlen kann. Leitzinsänderungen im Konjunkturzyklus verursachen jedoch Schwankungen der Kurse von Staatsanleihen. Das eigentliche Risiko für Anleger ist jedoch eine Inflation. Historisch haben Staatsanleihen die niedrigste Volatilität. In den USA ist sogar ein fallender Trend der Volatilität seit 1980 zu beobachten, was eine Folge gesunkener Inflationsrisiken sein könnte. Insgesamt betrug die durchschnittliche jährliche Volatilität 4,9 Prozent seit 1980.
Investment-Grade-Unternehmensanleihen haben ein höheres Risiko als Staatsanleihen, da Anleger im Falle eines Unternehmenskonkurses Verluste in Abhängigkeit der Einbringungsquote erleiden. So verzeichneten US-Investment-Grade-Unternehmensanleihen in den USA seit 1980 eine durchschnittliche jährliche Volatilität von 5,8 Prozent. High-Yield-Anleihen haben eine höhere Konkurswahrscheinlichkeit und eine niedrigere durchschnittliche Einbringungsquote. Das höhere Risiko zeigte sich seit 1980 in einer durchschnittlichen jährlichen Volatilität von 8,8 Prozent.
Der Aktionär trägt das größte Risiko, da er am Ende einer langen Kette von Vorleistungs-, Lohn-, Zins-, Steuerzahlungen etc. steht und nur Anrecht auf den Überschuss hat. Auch erleidet er im Falle eines Konkurses oft einen Totalverlust. Seit 1970 betrug die jährliche durchschnittliche Volatilität von US-Aktien (MSCI USA) daher 15,3 Prozent.
Die niedrige Volatilität an allen Finanzmärkten zwischen 2010 und 2019 ist auffällig. Offensichtlich sorgen die umfangreichen Interventionen der Zentralbanken für nur noch geringe Kursschwankungen. Die Volatilität könnte somit auch in Zukunft niedrig bleiben. Dem steht jedoch entgegen, dass schon kleine Zins- und/oder Risikoprämienänderungen im aktuellen Niedrigzinsumfeld theoretisch große Kurseffekte haben können. Die rapide Kurserholung der Aktien im Jahr 2020 hat gezeigt, dass es sich hierbei nicht nur um Theorie handelt. Wir gehen daher davon aus, dass trotz Zentralbankinterventionen die Volatilitäten wieder in Richtung historischer Durchschnitte steigen werden.
Wir haben nun die Ertragserwartungen über 14 Jahre ins Verhältnis zur historischen Volatilität gesetzt. Auffällig hierbei ist, dass Aktien und Anleihen ungefähr die gleichen Werte aufweisen. Europäische Unternehmensanleihen stechen im Anleihesegment mit dem höchsten Wert hervor.
1 Siehe Jeremy Siegel: Stocks for the Long Run
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