Hohe Bewertung europäischer Aktien? Blödsinn
Es ist eine bemerkenswerte Erfahrung, dass jeder Aktienstratege eine eigene Methode zur Bewertung der Aktienmärkte bevorzugt. So gibt es Bewertungsindikatoren auf Basis vergangener Gewinne oder auf Basis von Gewinnschätzungen; bereinigt um den Konjunkturzyklus; ohne die Gewinne des Finanzsektors oder ohne andere als verzerrend wahrgenommene Sektoren sowie unterschiedliche Definitionen der Gewinne wie Gewinn pro Aktien, EBIT etc. und vieles andere. Um den Wald vor lauter Bäumen nicht aus den Augen zu verlieren, lohnt sich oft als erstes ein Blick auf die langfristige Kursentwicklung.
Oft sagt der Trend mehr als jeder Bewertungsindikator
Es ist eine Binsenweisheit, dass die Aktienkurse den Unternehmensgewinnen folgen. Auch scheinen die Unternehmensgewinne über längere Zeiträume stabil zu steigen, sodass sie und damit auch die Aktienkurse einem stabilen (exponentiellen) Trend zu folgen scheinen.
In den USA und in Europa sind mit dieser Methode auf einen Blick die außergewöhnliche Blase im Jahr 2000 und die außergewöhnliche Unterbewertung in 2009 erkennbar. Ein großer Nachteil dieser Darstellung ist jedoch, dass die Abweichung vom Trend in der Einheit „Indexpunkte“ angezeigt wird (Grafik 1). Aufgrund des exponentiellen Trends werden dadurch die Abweichungen vom Trend über die Zeit immer größer. Eine bessere Methode (Grafik 2) ist es, den Kursindex zu logarithmieren, sodass er einen linearen Aufwärtstrend zeigt. Die Einheit der Abweichung vom Trend ist nun „Prozent“. Damit ergibt sich eine deutlich bessere historische Vergleichbarkeit.
Stand: 30.4.2021
Stand: 30.4.2021
In den USA sind die Aktienkurse des MSCI USA schon im vergangenen Jahr über das Niveau des langfristigen Trends gestiegen und erreichten bis Ende April sogar eine Abweichung von mehr als 20 %. Amerikanische Aktien scheinen also hoch bewertet zu sein. Ob es sich dabei schon um eine Blase handelt, ist sicherlich offen für eine Diskussion.
Im Gegensatz dazu war die Wertentwicklung europäischer Aktien in den vergangenen Jahren sehr schwach: Der Kurs des MSCI Europa lag Ende April etwa 40 % unter seinem langfristigen Trend. Zuletzt gab es 1975 eine vergleichbar große Abweichung beziehungsweise Unterbewertung. Die schwache Wertentwicklung ist fundamental gut zu begründen. So verursachten die Staatsschuldenkrise und das Brexit-Referendum große wirtschaftliche Schäden in Europa. Darüber hinaus kämpften strukturell angeschlagene Geschäftsmodelle wie die von Banken, Automobilherstellern, Versorgern etc. lange mit einer sehr niedrigen Profitabilität.
Europa konnte die Staatschuldenkrise überwinden und einen geordneten Brexit vollziehen. Auch werden ab Juni die Gelder des Wiederaufbaufonds fließen, sodass ein starker konjunktureller Aufschwung bevorsteht – zumal die Pandemie unter Kontrolle gebracht werden konnte. Auch zeigen die großen Restrukturierungsanstrengungen vieler europäischer Aktiengesellschaften langsam erste Erfolge. Eine rapide Erholung der Unternehmensgewinne in den kommenden Jahren ist somit sehr wahrscheinlich – und damit auch eine Rückkehr der Kurse zum langfristigen Trend.
Japanische Aktien: Positive mittelfristige Perspektive
Der japanische Aktienindex Nikkei 225 lag im Februar dieses Jahres erstmals seit 1990 wieder über der Marke von 30.000 Punkten. Damit dauerte es mehr als 30 Jahre, dieses Kursniveau wieder zu erreichen – einmal mehr ein Beleg dafür, welch hohe langfristige Kosten das Platzen der Blase am Aktien- und Immobilienmarkt Anfang der 1990er-Jahre verursacht hat.
Der aktuelle Aufschwung am japanischen Aktienmarkt begann jedoch schon Ende 2012 – als eine Reaktion auf den Politikwechsel in Japan und die damit verbundenen positiven Erwartungen an die sogenannten Abenomics. Der ehemalige Premierminister Shinzo Abe reformierte tatkräftig die Wirtschaft und berief Haruhiko Kuroda an die Spitze der japanischen Zentralbank, der im Gegensatz zu seinen Vorgängern eine sehr großzügige Liquiditätspolitik verfolgte. Und der Erfolg konnte sich sehen lassen: So stiegen die Unternehmensgewinne von Ende 2012 bis Ende 2019 um 75 %, brachen allerdings im vergangenen Jahr ein. Für das aktuelle Fiskaljahr rechnen die Analysten aber wieder mit einem kräftigen Anstieg der Gewinne um etwa 25 %.
Seit Februar hat der japanische Aktienmarkt zwar einen Teil seiner Kursgewinne wieder abgegeben, aber die im normalen Schwankungsbereich liegenden Kurskorrekturen geben keinen Anlass zur Beunruhigung. Vielleicht trug zum Rücksetzer die Entscheidung der japanischen Zentralbank bei, ab März ihre Käufe von japanischen Aktien einzustellen. Nippons Notenbanker stellten aber gleichzeitig klar, dass sie weiterhin in turbulenten Marktphasen am Aktienmarkt intervenieren werden. Im Endeffekt hat die japanische Zentralbank somit ein Sicherheitsnetz aufgespannt, das größere Kursverluste in kurzer Zeit vermeiden könnte.
Grundsätzlich scheint der längerfristige Aufwärtstrend am japanischen Aktienmarkt intakt zu sein: Denn Aktienkurse folgen langfristig den Unternehmensgewinnen, die gemäß den Einschätzungen der Analysten gute Perspektiven für weiteres Wachstum haben. Dafür spricht auch, dass die Reformen unter Abenomics die Profitabilität japanischer Unternehmen grundsätzlich verbessert haben. Darüber hinaus profitierte die japanische Volkswirtschaft in der Vergangenheit oft überproportional von einem Aufschwung der Weltwirtschaft. Bisher hinkte die japanische Volkswirtschaft jedoch dem globalen Aufschwung hinterher. So dürfte das Bruttoinlandsprodukt im ersten Quartal (Dienstag) um mehr als 1,0 % zum Vorquartal gesunken sein. Ein voraussichtlich starker Anstieg der Industrieproduktion (Mittwoch) zum Vormonat im März signalisiert jedoch eine merkliche Wachstumsbelebung ab dem zweiten Quartal, was auch die Einkaufsmanagerindizes (Freitag) im Mai mit einem weiteren Anstieg bestätigen dürften. Eine gesunde Volkswirtschaft zeichnet sich aus durch profitable Unternehmen und vor diesem Hintergrund tendenziell steigende Aktienkurse. Insofern ist das Erreichen der Marke von 30.000 Punkten im Februar ein positives Signal.
Globale Konjunktur
Der größte Boom der Weltwirtschaft seit dem Zweiten Weltkrieg wird auch entsprechend starke Konjunkturdaten produzieren: Einkaufsmanagerindizes weltweit (Freitag). Neben der einsetzenden Erholung in Europa scheint nun auch langsam der Konsum in China anzuspringen: Einzelhandelsumsätze (Montag). Eine hohe Sparquote gekoppelt mit einer kräftigen Erholung am chinesischen Arbeitsmarkt sind dabei die Zutaten für den starken Konsum.
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