Konjunkturzyklus auf links gedreht: Diesmal dominiert der Angebotsfaktor
Wir alle kennen nur Konjunkturschwankungen ausgelöst durch Änderungen der Nachfrage, da dies das typische Muster der vergangenen 40 Jahre war. Die Rückgänge des ISM-Index und des Konsumentenvertrauens in dieser Woche in den USA scheinen somit zu signalisieren, dass die Nachfragedynamik ihren Hochpunkt erreicht hat und das Wirtschaftswachstum nunmehr tendenziell nachlassen wird.
In diesem Zyklus ist jedoch alles anders, da dieses Mal das Angebot der dominierende Einflussfaktor ist. So verzeichnete der ISM-Index (Dienstag) im April einen Rückgang, obwohl die Auftragseingänge stark gestiegen waren und die Lagerbestände stark abgebaut wurden. Engpässe bei Lieferketten und Rohstoffen bremsen die Produktion und damit das Wachstum. Auch ging das Konsumentenvertrauen im Mai überraschend zurück, obwohl die Konsumenten den Arbeitsmarkt schon wieder auf einem Niveau wie vor der Pandemie einschätzen – mit einer Arbeitslosenquote von damals 3,5 %. Es wäre somit wenig überraschend, wenn die Arbeitslosenquote (Freitag) im Mai deutlich fällt und die Beschäftigung (Freitag) um mehr als 1,5 Millionen Personen steigt. Das große Vertrauen der privaten Haushalte in einen starken Arbeitsmarkt könnte auch zu anhaltend mutigen Lohnforderungen beitragen.
Das Konsumentenvertrauen ist somit nicht gefallen, weil die privaten Haushalte eine schwache Wirtschaft erwarten und sie deshalb planen, ihren Konsum einzuschränken: Es ist gefallen, weil starke Preiserhöhungen bei Immobilien, im Automobilbereich und anderen Branchen für eine schlechte Stimmung sorgen.
In diesem Umfeld funktionieren auch die „Economic Surprise“-Indizes nicht mehr wie in der Vergangenheit, da Wachstumsenttäuschungen nunmehr Engpässe beim Angebot signalisieren.
Verdrängen hohe Preise permanent die Nachfrage?
Wenn die hohen Preise tatsächlich permanent die Nachfrage verdrängen würden, signalisiert der Rückgang der genannten Konjunkturindikatoren richtigerweise eine Abschwächung des Wirtschaftswachstums. So zeigt die „Big Data“-Analyse der UBS, dass die US-Kerninflation im Mai mit 0,6 % zum Vormonat erneut kräftig gestiegen sein könnte.
Die beginnende Öffnung der Weltwirtschaft, die expansive Finanzpolitik sowie die hohen Ersparnisse der privaten Haushalte sprechen jedoch für eine anhaltend hohe Nachfrage. Das bedeutet, dass die Güter und Dienstleistungen, die aufgrund von Angebotsengpässen derzeit nicht geliefert oder erbracht werden können, zu einem späteren Zeitpunkt produziert und geleistet werden – und damit auch in Zukunft für ein starkes Wachstum sorgen.
Eurozone: Inflationsschub im Mai?
Die Wachstumsrate der Geldmenge M3 (Montag) erreichte zuletzt Niveaus wie in den 1970er-Jahren: Die privaten Haushalte und Unternehmen verfügen über hohe Geldbestände auf ihren Bankkonten. Die monetäre Grundlage für einen starken Aufschwung ist also gelegt – vor allem vor dem Hintergrund der voranschreitenden Öffnung der europäischen Wirtschaft.
Dementsprechend bestehen gute Chancen, dass sich der Einkaufsmanagerindex des Dienstleistungssektors (Donnerstag) gegenüber der ersten Schätzung verbessert. Die einsetzende Wirtschaftserholung dürfte die Inflation (Dienstag) noch nicht maßgeblich beeinflussen. Trotzdem dürfte die Inflation im Mai auf 2,0 % gestiegen sein, da Basiseffekte und die Rohstoffpreisentwicklung derzeit für einen Preisauftrieb sorgen.
Japan: Ergänzungen zur positiven mittelfristigen Entwicklung des japanischen Aktienmarkts
In der vergangenen Woche habe ich einen positiven mittelfristigen Ausblick für den japanischen Aktienmarkt gegeben. Zwei Punkte möchte ich dazu ergänzen.
In der Tat hat sich gegenwärtig das konjunkturelle Bild in Japan eingetrübt – aufgrund einer neuen Corona-Welle, die neue Lockdown-Maßnahmen erforderte. Japan lag bisher bei der Verfügbarkeit von Impfungen im Durchschnitt hinter den übrigen entwickelten Volkswirtschaften und auch hinter vielen Ländern in Asien zurück. In den letzten Tagen hat Japan jedoch damit begonnen, die verlorene Zeit aufzuholen. Der Anteil der Bevölkerung, der mindestens eine Dosis erhalten hat, stieg auf 6 %, da Lieferengpässe behoben und zusätzliche Impfstoffe von der Regierung zugelassen wurden. Ich gehe davon aus, dass sich das Tempo der Impfungen in Japan in den kommenden Wochen weiter beschleunigen wird, sodass die Regierung bis Juli oder August das Niveau der Impfungen in den USA und Europa erreichen kann. In der Zwischenzeit plant die Regierung, den aktuellen Ausnahmezustand angesichts der Belastung des Gesundheitssystems um weitere drei Wochen bis zum 20. Juni zu verlängern.
Dementsprechend ist vorerst noch mit schwachen Konjunkturdaten zu rechnen – vor allem bei Konsum und Dienstleistungen: Einzelhandelsumsätze (Montag), Konsumentenvertrauen (Montag) und Einkaufsmanagerindex des Dienstleistungssektors (Donnerstag). Immerhin scheint die Industrie ein Lichtblick zu sein und von der Erholung der Weltwirtschaft überproportional profitieren zu können: Industrieproduktion (Montag) und Einkaufsmanagerindex der Industrie (Dienstag). Die Voraussetzungen für einen starken, langanhaltenden Aufschwung ab dem vierten Quartal sind jedoch gegeben, sobald die aktuelle Infektionswelle gebrochen ist.
Darüber hinaus reiche ich noch den Beweis nach, dass die japanischen Unternehmen tatsächlich strukturell profitabler geworden sind. Oft wird nämlich nur der Fokus auf die ersten beiden Säulen der Abenomics gelegt: die Geld- und Finanzpolitik. Aber auch die dritte Säule wurde durch Strukturreformen unter dem damaligen Premierminister Shinzo Abe umgeformt. Neben zahlreichen Reformen am Arbeitsmarkt, in der Kinderbetreuung, im Tourismus und in anderen Branchen wurde auch die „Corporate Governance“ überarbeitet und modernisiert. Ebenfalls wurde die Rolle der institutionellen Investoren gestärkt, die nun stärker Einfluss auf die Unternehmen und ihre Geschäftspolitik nehmen müssen. Ein Blick auf die Gesamtkapitalrendite japanischer Unternehmen und auf die Unternehmensgewinne im Verhältnis zum BIP zeigt, dass japanische Unternehmen seit Beginn der Abenomics eine strukturell höhere Profitabilität erreichen konnten. Die höhere Profitabilität ist eine Folge der Strukturreformen – und daher nachhaltig. Der japanische Aktienmarkt dürfte somit mittelfristig attraktiv sein.
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