Hohe Schulden führen nicht zu Schuldenkrisen – sondern Zinserhöhungen
Schuldenkrisen können nur dann ausbrechen, wenn Schuldner ihren Schuldendienst nicht mehr erfüllen können. Dieser Schuldendienst umfasst dabei die Zinszahlungen plus die Tilgung. Eine Schuldendienstquote gibt an, welcher Teil der Ausgaben für Verzinsung und Tilgung der Schulden verwendet wird. Zinszahlungen sind wiederum das Produkt aus Zinssatz und Verschuldung. Japan hat beispielsweise zwar eine hohe Staatsverschuldung, aber einen Zinssatz von 0,0 Prozent, sodass der Schuldendienst völlig unproblematisch geleistet werden kann.
In dieser Woche veröffentlichte die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich die Schuldendienstquoten für den privaten nicht-finanziellen Sektor im ersten Quartal 2022 – also noch größtenteils vor den Leitzinserhöhungen der US-Notenbank, der EZB und den zahlreichen anderen Zentralbanken.
Interessanterweise hatte der private Sektor in den USA, Italien und Deutschland eine merklich unterdurchschnittliche Schuldendienstquote, sodass der private Sektor in diesen drei Ländern die Leitzinserhöhungen gut verkraften dürfte.
Im Gegensatz dazu hatten Hongkong, China, Frankreich und die Schweiz im ersten Quartal 2022 schon überdurchschnittlich hohe Schuldendienstquoten. Aufgrund der Konjunkturschwäche in China befindet sich die chinesische Zentralbank in einem Leitzinssenkungszyklus. Dementsprechend dürfte sich die Schuldendienstquote tendenziell eher verbessern. Hongkong hat dagegen die eigene Währung an den US-Dollar gebunden und muss daher Eins-zu-eins den Leitzinserhöhungen der US-Notenbank folgen.
Eine schon überdurchschnittlich hohe Schuldendienstquote, gekoppelt mit rapiden Zinssteigerungen, dürfte früher oder später zu einer Schuldenkrise in Hongkong beitragen. Es dürfte deshalb spannend sein, die weitere Entwicklung in Hongkong zu beobachten.
In der Schweiz könnten die Zinserhöhungen zu einer merklichen Abkühlung am Immobilienmarkt beitragen – denn die Schweizer Nationalbank erhöhte in dieser Woche den Leitzins um 75 Basispunkte. Eine Schuldenkrise ist jedoch unwahrscheinlich. In Frankreich könnte vor allem der Unternehmenssektor von höheren Zinsen betroffen sein, es könnte dementsprechend eine Konkurswelle drohen. Es gibt dort jedoch viele Kredite zwischen Unternehmen, sodass die Netto-Zinsbelastung für einzelne Unternehmen durch höhere Zinsen deutlich niedriger sein könnte.
Steigende US-Leitzinsen als Risikofaktor
Die US-Notenbank befindet sich derzeit in einem Leitzinserhöhungszyklus, der natürlich auch die Schuldentragfähigkeit des privaten Sektors beeinflussen wird. Die Frage ist nun, wie hoch der Leitzins steigt.
Unser uraltes (und doch bewährtes) Prognosemodell für den US-Leitzins signalisiert derzeit, dass die US-Notenbank in der Vergangenheit bei vergleichbaren makroökonomischen Daten den Leitzins schon jetzt auf über 6,0 Prozent angehoben hätte. In unserem Modell haben wir auch die Verschuldung berücksichtigt – diese dämpft aktuell die Leitzinsprognose.
Wir haben dabei unterstellt, dass sich der Kern-Konsumentenpreisdeflator (Freitag) in den kommenden Monaten auf 4,0 Prozent einpendeln wird, und damit deutlich über dem Inflationsziel von 2,0 Prozent. Auch unterstellen wir einen stabilen Konsum (Freitag), da die US-Amerikaner über ein rekordhohes Vermögen verfügen und somit noch viele Konsummöglichkeiten haben. Darüber hinaus rechnen wir mit einer stabil niedrigen Arbeitslosenquote, wie in einer positiven Lagebeurteilung der Konsumenten im Rahmen des Konsumentenvertrauens (Dienstag) zu sehen sein dürfte.
Ein Unsicherheitsfaktor ist der Wohnimmobilienmarkt, der einen großen Einfluss auf die Inflationsentwicklung hat. Zuletzt zeigten Daten wie die Neubauverkäufe (Dienstag) eine große Schwäche aufgrund der höheren Zinsen. Die Frage ist nun, ob die Schwäche schon ausreicht, eine Trendwende bei den Immobilienpreisen (Dienstag) auszulösen, die wiederum mit einer Zeitverzögerung von einem Jahr auf den Konsumentenpreisindex einwirken.
Steigende EZB-Leitzinsen als Risikofaktor
Auch die EZB befindet sich im Leitzinserhöhungszyklus. Unser (hier nicht ganz so uraltes) Prognosemodell signalisiert, dass die EZB in der Vergangenheit bei vergleichbaren Fundamentaldaten den Leitzins schon jetzt auf über 4,0 Prozent angehoben hätte. Die Finanzmarktakteure preisen dagegen ein, dass die EZB den Leitzins auf 2,75 Prozent im Frühjahr 2023 anheben wird.
Der entscheidende Einflussfaktor auf die Geldpolitik wird die Inflationsentwicklung (Freitag) sein. Es drohen zweistellige Inflationsraten bis Jahresende, was den Druck auf die EZB erhöht, mit weiteren größeren Leitzinsschritten darauf zu reagieren.
Gleichzeitig schlittert jedoch die Eurozone in eine Rezession. Der ifo-Index (Montag) und der europäische Geschäftsklimaindex (Donnerstag) dürften dabei zeigen, wie tief der Fall werden könnte. Mit der konjunkturellen Entwicklung verbunden ist die Kreditvergabe und das Geldmengenwachstum (Dienstag).
Die gute Nachricht ist, dass Europa schon jetzt erfolgreich Erdgas einsparen und aus alternativen Quellen beziehen kann. Aufgrund der rezessiven Tendenzen erwarten wir, dass die EZB eine Pause im Dezember einlegen und erst im Frühjahr wieder den Leitzinserhöhungszyklus fortsetzen dürfte.
Immerhin ein konjunktureller Lichtblick ist der Arbeitsmarkt: So befindet sich die Arbeitslosenquote (Freitag) auf einem Rekordtief und die Beschäftigung auf einem Rekordhoch. Viele Unternehmen werden in der Rezession keine Entlassungen vornehmen, da sie große Angst haben, im Aufschwung im nächsten Jahr keine Arbeitskräfte zu finden.
Japan immer noch auf der Suche nach höherer Inflation
Die Lohndynamik in Japan ist immer noch sehr schwach und die Kerninflation mit 1,5 Prozent immer noch niedrig. Daher hält die japanische Zentralbank an ihrer expansiven Geldpolitik fest. Eine lockere Geldpolitik, gekoppelt mit einer schwachen Währung, dürfte die Konjunktur stabilisieren – trotz weltwirtschaftlicher Rezessionstendenzen: Einkaufsmanagerindizes (Montag) und Industrieproduktion (Freitag). Auch ist mit einem anhaltend starken Arbeitsmarkt zu rechnen.
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