Risikofaktor Inflation: Asset-Liability-Management von der Liability-Seite aus gedacht
Inflation ist das Schreckgespenst des Jahres. Seit März 2020 sind die zehnjährigen Inflationserwartungen kontinuierlich gestiegen und haben 2021 noch einmal richtig Fahrt aufgenommen. Inflation ist ein Treiber für Pensionsverbindlichkeiten – und das Risiko kann Anlass sein, in einem Liability-Driven-Investmentansatz ein Inflations-Overlay zu berücksichtigen.
Attraktivere Renditen – aber auch Marktwertverluste bei Anleihen
Der Anstieg der Inflationserwartungen betrug 2020 bereits 60 Basispunkte. 2021 sind schon wieder mehr als 70 Basispunkte hinzugekommen – und die Reise geht weiter. Immer mehr Ökonomen, einschließlich unseres Chefvolkswirts Edgar Walk, definieren als ein Risikoszenario für Inflation Niveaus von 3 bis 4 %, und das mit einer substanziellen Wahrscheinlichkeit von bis zu einem Drittel.
Mit einem Anstieg der Inflation würde auch ein Anstieg der Renditen einhergehen, wenngleich auch eventuell ein deutlich geringerer. Aktuell gehen die Fachleute davon aus, dass im Risikoszenario einer Inflationsrate von 3 bis 4 % ein Renditeanstieg von 100 bis 200 Basispunkten realistisch sein könnte. Das hätte den positiven Effekt von deutlich attraktiveren Renditen für festverzinsliche Wertpapiere, beispielsweise höhere Kuponerträge. Allerdings müssten Investoren auf dem Weg dorthin mit Marktwertverlusten von etwa 5 bis 10 % im Anleihesegment ihrer Portfolios zurechtkommen.
Inflation: Treiber für Pensionsverbindlichkeiten
Ein inflationsinduzierter nominaler Zinsanstieg hätte durch die Diskontierung einen entlastenden Effekt auf die IFRS-Pensionsrückstellungen. Aber die Inflation wirkt nicht nur auf die Zinskomponente. Denn zusätzlich ergeben sich durch die Renten- und Gehaltsdynamik Effekte, die eine Erhöhung der Rückstellungen um 10 bis 20 % nötig machen können. Erstens schreibt das Betriebsrentengesetz vor, dass die laufenden Leistungen der betrieblichen Altersversorgung regelmäßig einer Anpassungsprüfung zu unterziehen sind; dabei wird geprüft, ob eine höhere Inflationsrate, gemessen am Verbraucherpreisindex, zu höheren Rentenzahlungen führen kann oder muss. Und zweitens führt auch die Gehaltsdynamik zu höheren Rentenzahlungen, da insbesondere bei endgehaltsabhängigen Zusagen mit einem höheren Gehalt auch ein höherer Pensionsanspruch einhergeht.
Liability-Driven-Investment kann Inflationsrisiken berücksichtigen
Eine zunächst anstehende Asset-Liability-Analyse beginnt, bezogen auf die Inflation, auf der Seite der Verbindlichkeiten. Das Ergebnis der Analyse induziert häufig eine deutlich kapitalmarktnähere Festlegung der Inflationserwartungen in der Bewertung (ALM eher von der L-Seite als sonst üblicherweise immer von der A-Seite kommend); auf dieser Grundlage kann sich der Pension-Investor auf der Anlagenseite gegen Inflationsrisiken absichern. Üblicherweise sind die Inflationssensitivitäten der Verbindlichkeiten so hoch, dass der Einsatz von inflationsindexierten Anleihen nicht ratsam ist, und die Absicherung stattdessen über Inflationsderivate vorgenommen werden muss. Ein Inflations-Overlay lässt sich sehr gut in eine bestehende Kapitalanlage integrieren. Der „neu“ wahrgenommene Risikofaktor Inflation kann dazu dienen, die Kapitalanlage erstmals besser auf die Verbindlichkeiten abzustimmen oder in einem bereits bestehenden Liability-Driven-Investmentansatz auch Inflation explizit zu berücksichtigen.
Quellen: Bloomberg, Metzler; Stand 31. August 2021