Der Zinspessimismus ist nicht gerechtfertigt
Derzeit preisen die Finanzmarktakteure, dass der US-Leitzins bis Ende 2023 auf 1,75 Prozent steigen und dort in den nächsten 20 Jahren verharren wird. Dahinter scheint ein großer Zinspessimismus zu stecken, der auf der Annahme zu basieren scheint, dass aufgrund der hohen Verschuldung keine höheren Zinsen mehr möglich sind.
Zwar ist die Verschuldung im privaten Sektor – vor allem bei den Unternehmen – immer noch hoch. Die US-Unternehmen haben jedoch im Durchschnitt eine lange Zinsbindung ihrer Kredite und hohe Cash-Bestände auf ihrer Bilanz. Höhere Zinsen würden also kaum die Zinsausgaben für Unternehmen erhöhen, aber deutliche Mehreinnahmen auf ihren Cash-Beständen bedeuten. Neben den Unternehmen würden auch die privaten Haushalte per saldo von höheren Zinsen profitieren. Im Gegensatz dazu müsste der US-Staat deutlich höhere Zinsausgaben leisten. Der Staat kann sich das jedoch leisten, da er immer neue Kredite zur Finanzierung der Zinsen aufnehmen kann. Es könnte somit sein, dass in diesem Zyklus höhere Leitzinsen aufgrund des positiven Einkommenseffekts die private Nachfrage nicht so stark wie in vergangenen Zyklen bremsen. Die US-Leitzinsen könnten also deutlich stärker steigen, als derzeit erwartet wird, um den von der US-Notenbank gewünschten Effekt zu erzielen.
Quellen: Refinitiv Datastream, Metzler; Stand 31.12.2021
Im Gegensatz dazu war die private Verschuldung 2007 – vor der großen Rezession – sehr hoch, die Cash-Bestände im privaten Sektor sehr niedrig, und auch die Staatsverschuldung war gering. Die Leitzinserhöhungen bedeuteten eine höhere Zinslast für hoch verschuldete Kreditnehmer, die zunehmend ihre Kredite nicht mehr bedienen konnten. Die höheren Zinsen dämpften somit die Nachfrage nach Wohnimmobilien empfindlich und waren somit der Auslöser für die große Rezession 2008.
Derzeit präsentiert sich der Wohnimmobilienmarkt jedoch robust, wie der NAHB-Geschäftsklimaindex (Dienstag), die Baubeginne (Mittwoch) und die Umsätze bestehender Wohnimmobilien (Donnerstag) eindrücklich bestätigen dürften. Auch wird noch der Philadelphia Fed Index (Donnerstag) veröffentlicht.
Großbritannien in einer Stagflationsfalle
In Großbritannien lässt sich derzeit die Entstehung einer Lohn-Preis-Spirale beobachten. Die Löhne (Dienstag) verzeichneten zuletzt einen Anstieg von knapp 6 Prozent in der Betrachtung als gleitender Durchschnitt über 12 Monate; gleichzeitig stieg die Inflation (Mittwoch) auf über 5 Prozent. Das hohe Einkommenswachstum ermöglicht einen dynamisch wachsenden nominalen Konsum, wie die Einzelhandelsumsätze (Freitag) zeigen werden.
Quellen: Refinitiv Datastream, Metzler; Stand 31.12.2021
Vor diesem Hintergrund überrascht es kaum, dass die Finanzmarktakteure etwa 100 Basispunkte an Leitzinserhöhungen der Bank of England in diesem Jahr einpreisen. Sehr überraschend ist jedoch, dass die Finanzmarkakteure trotzdem davon ausgehen, dass die erwarteten Leitzinserhöhungen nicht ausreichen werden, um die Inflation wieder unter Kontrolle zu bringen. Großbritannien befindet sich somit in einem sehr unangenehmen Stagflationsszenario.
Eurozone: Fokus auf die Löhne
Mehrere Vertreter der EZB äußerten die Sorge, dass die derzeit hohe Inflation eine Rolle in den Lohnforderungen in diesem Jahr spielen und zu einer merklichen Beschleunigung der Löhne beitragen könnte. Bisher war die Lohnentwicklung jedoch schwach, sodass eine merkliche Beschleunigung notwendig wäre, um tatsächlich das Risiko einer Lohn-Preis-Spirale in der Eurozone zu erhöhen. Nun aber sprechen selbst Mitglieder des EZB-Rates über die Notwendigkeit einer restriktiveren Geldpolitik. Das zeigt, wie groß die Sorge ist, dass sich die aktuell hohen Inflationsraten in hohen Inflationserwartungen bei der Bevölkerung verfestigen könnten. Die Folge wären tatsächlich sehr hohe Lohnforderungen und eine große Bereitschaft der Unternehmen, die Preise anzuheben. Die Zentralbanken müssen also schnell handeln, um die Verfestigung von Inflationserwartungen zu verhindern. Daher bestehen vor allem im ersten Halbjahr große Risiken geldpolitischer Überraschungen.
Immerhin scheint sich die Omikron-Mutation als überwindbar zu erweisen. So zeigen Simulationen von US-Forschern, dass die Infektionswelle in den USA und Großbritannien bald ihren Hochpunkt überschritten haben dürfte. Dementsprechend sollten sich die Wachstumsperspektiven laut ZEW-Index (Dienstag) verbessert haben.
China gelingt die wirtschaftliche Stabilisierung
Die Konjunkturdaten waren zuletzt nicht so schlimm wie von mir befürchtet. Die Maßnahmen der Regierung scheinen sich schon jetzt stabilisierend auszuwirken. Nichtsdestotrotz spricht die Erfahrung dafür, dass sich eine ausgeprägte Schwäche am Immobilienmarkt über die Zeit zunehmend dämpfend auf die übrige Wirtschaft ausbreitet. Daher habe ich auch ein Wachstum von nur 4,2 Prozent für das Jahr 2022 prognostiziert – deutlich niedriger als der Consensus von 5,2 Prozent laut Bloomberg. In der kommenden Woche werden mit dem BIP (Montag) im vierten Quartal, der Industrieproduktion (Montag) und den Einzelhandelsumsätzen (Montag) wichtige Konjunkturindikatoren veröffentlicht.
Währungsprognosen: Das Problem der Datenrevision
In unseren Modellen können wir die mittelfristige Währungsentwicklung sehr gut mithilfe der relativen Inflations- und Staatsschuldenentwicklung erklären und prognostizieren. Im vergangenen Jahr signalisierte das Modell einen Jahresendwert von 1,25 EUR/USD. Tatsächlich wertete der US-Dollar jedoch merklich gegenüber dem Euro auf. Damals habe ich unterschätzt, wie revisionsanfällig die Staatsschuldendaten in der Pandemie sind. Die revidierten Daten zeigen nun Prognosen von 1,16 EUR/USD für 2022 und von 1,17 EUR/USD für 2023.
Quellen: Refinitiv Datastream, Metzler; Stand: 31.12.2020
Die Erfahrung des vergangenen Jahres zeigt wieder einmal eindrücklich, dass in Modellen am besten nur mit Daten gearbeitet wird, die keinen Revisionen unterliegen. Für 2022 ist es somit die große Herausforderung, die Währungsmodelle in dieser Hinsicht zu verbessern. Anbei die Tabelle der Währungsprognosen auf Basis der derzeit von der OECD berechneten und prognostizierten Staatsschuldenquoten. Auffallend ist hier vor allem die Prognose einer ausgeprägten Schwäche des britischen Pfunds.
Weitere Beiträge
Diese Unterlage der Metzler Asset Management GmbH (nachfolgend zusammen mit den verbundenen Unternehmen im Sinne von §§ 15 ff. AktG „Metzler“ genannt) enthält Informationen, die aus öffentlichen Quellen stammen, die wir für verlässlich halten. Metzler übernimmt jedoch keine Garantie für die Richtigkeit oder Vollständigkeit dieser Informationen. Metzler behält sich unangekündigte Änderungen der in dieser Unterlage zum Ausdruck gebrachten Meinungen, Vorhersagen, Schätzungen und Prognosen vor und unterliegt keiner Verpflichtung, diese Unterlage zu aktualisieren oder den Empfänger in anderer Weise zu informieren, falls sich eine dieser Aussagen verändert hat oder unrichtig, unvollständig oder irreführend wird.
Ohne vorherige schriftliche Zustimmung von Metzler darf/dürfen diese Unterlage, davon gefertigte Kopien oder Teile davon nicht verändert, kopiert, vervielfältigt oder verteilt werden. Mit der Entgegennahme dieser Unterlage erklärt sich der Empfänger mit den vorangegangenen Bestimmungen einverstanden.