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Gastbeitrag: Anlagethema im Brennpunkt - Börsen-Zeitung - 25.10.2021 - Pascal Spano

Rekordpreisanstieg für Gebrauchtwagen ein böses Omen

„Denn mit sehenden Augen sehen sie nicht, und mit hörenden Ohren hören sie nicht.“ An dieses Bibelzitat mag sich erinnert fühlen, wer in diesen Wochen versucht, die Aussagen der EZB zur Inflation mit seinen persönlichen Einkaufserlebnissen in Einklang zu bringen. Die offizielle Sprachregelung vom „temporären Überschießen“ der Inflationsrate über den Zielkorridor von 2 Prozent hinaus ist ein hübscher Euphemismus, hat aber mir der harten Realität in diesem Herbst wenig zu tun.

Beschleunigend wirkt die aktuelle Energiekrise, deren Geschwindigkeit und Ausmaß niemand vorhersehen konnte. Sie ist Folge einer Verkettung von Umständen, die zwar nicht sonderlich überraschen, deren simultanes Auftreten aber zu einzigartigen Verwerfungen bei den Gas- und Strompreisen führen.

Gut gedacht ist eben noch nicht gut gemacht. Die Wende hin zu Erneuerbaren Energien und CO2-Neutralität ist richtig und wichtig. Dass der parallele Rückzug aus Kernenergie und Kohleverstromung – ohne belastbaren Plan für die Übergangsphase – nicht ohne Folgen bleibt, ist allerdings unter Experten genauso unstrittig. Hier sind Bürokratieabbau und mehr Flexibilität gefragt. Das Festhalten an fixen Abschaltdaten für Kernkraftwerke, während sich geplante Windparks in mehrjährigen Genehmigungsprozessen verheddern, kann nicht funktionieren. Weht dann noch weniger Wind als in den Vorjahren, läuft die Industrie wieder auf Hochtouren und steigt auch die Gasnachfrage in Asien, dann schaut man buchstäblich in die Röhre. Und aus der kommt, derzeit scheinbar zu wenig, russisches Erdgas.

Inwieweit der Anstieg des Gaspreises um 150 % in den vergangenen Wochen nur zufällig mit dem Gerangel um die Betriebserlaubnis für Nord Stream 2 zusammenfällt, darüber mag man trefflich spekulieren. Es ändert aber nichts daran, dass sich Verbraucher diesen Winter und vermutlich auch in den Folgejahren auf spürbar höhere Energiekosten einstellen müssen. Ein großer Baustein im Inflationsmosaik.

Unvorbereitete Angebotsseite

Auch die Liste der weiteren Preistreiber ist lang. Die Aussagen „Frühestens in drei Monaten“ oder „Das wird teuer“ sind Standardantworten quer durch viele Industrien geworden. Schuld daran sind im Wesentlichen drei Effekte: der aktuelle Halbleitermangel, Stress in den Logistikketten und – quasi als Metaproblem über allem – die in allen Regionen parallel sprunghaft gestiegene Nachfrage. Mit dem Ende der Corona-Beschränkungen in weiten Teilen der Welt entlädt sich aufgestaute Nachfrage und trifft auf eine personell und logistisch nicht vorbereitete Angebotsseite.

Die ungewohnte Knappheit treibt seltsame Blüten. Lieferzeiten für Neuwagen reichen bis tief ins nächste Jahr hinein, Mietwagenunternehmen haben Probleme, die während Corona ausgedünnten Flotten wieder zu erweitern, und Gebrauchtwagen sind salopp formuliert das neue Gold – und ein Lehrbuchbeispiel für die sogenannte „Kreuzpreiselastizität“: Steigende Preise und sinkende Verfügbarkeit von Neuwagen führen zu entsprechenden Verwerfungen bei ihrem nächstbesten Substitutionsgut – Gebrauchtwagen.

Das neue Gold

Passend dazu hat sich unter Ökonomen ein ganz spezieller Index zu einem wertvollen Frühindikator für die Inflation entwickelt – der „Manheim US Used Vehicle Value Index“.  Dieser vom weltweit größten Gebrauchtwagen-Auktionator Manheim veröffentlichte Index reflektiert die von Autohändlern durchschnittlich gezahlten Einkaufspreise in den Vereinigten Staaten. Zwei bis drei Monate später, und natürlich erhöht um die Marge des Händlers, schlagen sich diese Preise in den für die Inflationsrechnung maßgeblichen Konsumentenpreisen nieder.

Frühwarnsystem

Ein nicht zu unterschätzendes Frühwarnsystem. Aktuell notiert dieser Index rund 65 Prozent über seinem Corona-Tief. Doch diese Entwicklung ist keinesfalls nur ein Ausbügeln der Corona-Delle im Frühjahr 2020. Viel besorgniserregender ist, dass er auch knapp 50 Prozent über den „normalen“ Ständen des Jahres 2019 notiert, und damit eine ganz neue Preisdimension erreicht hat. Einen solch starken Anstieg gab es noch nie. Dennoch klagen Autohändler auf beiden Seiten des Atlantiks über zu geringe Bestände. Den zu erwartenden dämpfenden Effekt auf die Nachfrage haben diese Preise bislang nicht.

Zu glauben, dass solche Preisentwicklungen quer durch alle Industrien hindurch lediglich vorübergehend sind, geht unseres Erachtens an der Lebenswirklichkeit vorbei. Richtig ist, dass allein aus mathematischen Gesetzmäßigkeiten heraus die Veränderungsrate der Inflationsrate irgendwann wieder unter 2 Prozent fallen wird. Die Frage ist nur, auf welchem Preisniveau wir uns dann befinden. Werden Gebrauchtwagenpreise demnächst um 30 Prozent sinken? Werden Händler Preiserhöhungen rückgängig machen und Gastwirte Speisekarten mit niedrigeren Preisen neu drucken? Daran mag man nicht so recht glauben. Zumindest nicht, solange sich die Wirtschaft weiter ordentlich entwickelt.

Starke Argumente für Aktien

Noch bleibt es vergleichsweise ruhig auf der Arbeitnehmerseite. Doch im Niedriglohnsegment werden händeringend Mitarbeiter gesucht, und angesichts immer noch auskömmlicher Gewinnmargen werden die Begehrlichkeiten der Gewerkschaften auch nicht kleiner. Verständlich, denn es zeigt sich einmal mehr, dass gegen Geldentwertung nur die Teilhabe am Wertzuwachs von Produktiv- und Sachkapital schützt. Stärkere Argumente für die – idealerweise staatlich geförderte – langfristige Aktienanlage lassen sich nicht finden. Daran können auch vorübergehende Kursrücksetzer nichts ändern.

 

Börsen-Zeitung, erschienen am 23.10.2021,  Autor Pascal Spano, Leiter Research Metzler Capital Markets

 

Pascal Spano
Pascal Spano

Head of Research , Metzler Capital Markets

Pascal Spano ist seit 2017 bei Metzler tätig und leitet den Bereich Research im Kerngeschäftsfeld Capital Markets. Vor seiner Tätigkeit bei Metzler war er von 2013 bis 2017 Geschäftsführer des von ihm mitgegründeten FinTech-Unternehmens PASST Digital Services GmbH in Köln. Davor leitete Herr Spano zwei Jahre den Bereich Cash Equities bei der UniCredit Group in München und Frankfurt am Main. Für die Credit Suisse Ltd. verantwortete er von 2007 bis 2010 als Head of German Research die Analyse deutscher Aktiengesellschaften. Zuvor war Herr Spano über zehn Jahre bei der Deutschen Bank im Bereich Global Markets Research tätig und baute für ABN Amro die deutschen Research-Aktivitäten aus Frankfurt und London mit auf. Nach absolvierter Bankausbildung und berufsbegleitendem Studium der Wirtschaftswissenschaften an der FernUniversität in Hagen ist er seit rund 20 Jahren Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Finanzanalyse

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