Was wollen und brauchen Ihre Kunden aktuell? Welche Trends sehen Sie in Ihren Geschäftsfeldern?
Wie komme ich gut durch die Corona-Krise? Das betrifft alle Unternehmer momentan gleichermaßen. Kurzfristig am wichtigsten ist die Liquiditätssicherung, um weiterhin handlungsfähig zu bleiben. Aber es gibt auch andere langfristige strategische Überlegungen beim deutschen Mittelstand, beispielsweise bei der Nachfolgeregelung in Familienunternehmen. Wenn sich kein geeigneter Nachfolger aus der eigenen Familie finden lässt, steht in der Regel ein Unternehmensverkauf an. Dieser Prozess ist vielschichtig und dauert seine Zeit. Deshalb sollte man frühzeitig anfangen, darüber nachzudenken und spezialisierte Berater ins Boot zu holen. Wir als unabhängige Transaktionsberater glauben, dass ein solcher Verkauf nicht unbedingt mit dem zurzeit gefürchteten Corona-Bewertungsabschlag einhergehen muss – Technologie- oder Healthcare-Unternehmen profitieren in großen Teilen sogar von der gegenwärtigen Lage. Gleichzeitig sehen wir: Finanzinvestoren wie Family-Offices oder Private Equity-Gesellschaften sitzen momentan auf sehr viel Geld, das sie investieren möchten. Aber auch strategische Investoren aus dem In- und Ausland zeigen wieder erstes Interesse an Unternehmensübernahmen, und wir führen hier einige vielversprechende Gespräche. Insofern glauben wir, dass in den deutschen M&A-Markt wieder einige Bewegung kommen wird.
Wie entstehen (digitale) Business-Innovationen bei Metzler?
Die Finanzbranche steckt mitten im unaufhaltsam voranschreitenden technischen Wandel – Corona wirkt hier zusätzlich als Turbo. Grundsätzlich stellt die Digitalisierung bestehende Geschäftsmodelle auf den Prüfstand und verschärft den Wettbewerb im Finanzsektor weiter. Daher sind wir kontinuierlich dabei, unser Geschäftsmodell konsequent an die neuen Marktanforderungen anzupassen und, wo sinnvoll, zu digitalisieren. Um auf diesem Weg schnell voranzukommen, haben wir eigens eine interne DigitalManufaktur etabliert, in der über alle Geschäftsbereichsgrenzen hinweg die entsprechenden Ideen und Initiativen gebündelt, evaluiert und umgesetzt werden.
Welche Rolle spielt der Standort und Finanzplatz FrankfurtRheinMain für Metzler?
Schon bei der Gründung von Metzler im Jahr 1674 durch den aus Sachsen zugewanderten Benjamin Metzler war die geografische Lage Frankfurts größter Pluspunkt. Heute ist Frankfurt ein Logistikknoten – mit dem größten Internetknoten der Welt, der die digitalen globalen Finanztransaktionen erst ermöglicht.
Entscheidend für die Schlagkraft der Region war zu allen Zeiten auch die Offenheit der Frankfurter, Neuankömmlinge zu integrieren. So konnten diese Zuwanderer wichtige Impulse setzen: 1585 waren an der Gründung der Frankfurter Börse 13 Kaufleute beteiligt – davon nur ein einheimischer. Die anderen waren ausländische protestantische Kaufleute, die vor religiös und politisch motivierter Verfolgung flüchten mussten und in Frankfurt heimisch wurden. Sie brachten ihre Netzwerke und ihre Kenntnisse mit. Das sorgte für Entwicklungsschübe. Und auch heute sind die große Internationalität und die ausgezeichnete Erreichbarkeit wichtige Assets von Frankfurt.
Was läuft in der Region gut, was fehlt, wo gibt es Nachholbedarf?
Der Name der Wirtschaftsinitiative weist in die richtige Richtung: FrankfurtRheinMain. Aus meiner Sicht sind Verbindungslinien zu anderen Regionen sowie gemeinsame Projekte und Kooperationen ausschlaggebend für die weitere Entwicklung von FrankfurtRheinMain – in unserer heutigen hochvernetzten Welt mehr denn je. Ich würde die Metropolregion sogar bis in den Rhein-Neckar-Raum ausdehnen. Dieser Metropolraum ist hervorragend aufgestellt mit hochrangigen Universitäten und Forschungseinrichtungen und mit sehr vielfältigen Industrieunternehmen und zahlreichen Dienstleistern. Eine große Herausforderung liegt sicherlich in der Logistik – also darin, die Verkehrsströme so zu steuern, dass weder Natur noch Lebensqualität der Menschen darunter leiden.
Das Bankhaus Metzler ist vielfältig gesellschaftlich engagiert, insbesondere über die Metzler-Stiftung. Warum ist es für Unternehmen wichtig, gerade auch im regionalen Kontext Verantwortung zu übernehmen?
Als Unternehmen profitiert Metzler von seinem Umfeld: von gut ausgebildeten Mitarbeitern, einer ausgezeichneten Logistik, einer vielfältigen Kulturszene, zahlreichen gemeinnützigen Einrichtungen, einer reizvollen Umgebung und vielem mehr. Deshalb müssen wir als Unternehmen dafür sorgen, dass dieses Umfeld sich weiterhin gut entwickeln und gedeihen kann, um andere interessante Unternehmen, Institutionen und Menschen anzuziehen. Unsere Förderung ist deshalb nicht gänzlich altruistisch. Außerdem hoffen wir, dass unser Vorbild weitere Unternehmen oder Privatpersonen motiviert, sich ebenfalls für Frankfurt und die Region zu engagieren. Anstiften zum Stiften nennen wir das.
Was erwarten Sie als neues Mitglied von einem regionalen Unternehmernetzwerk wie der Wirtschaftsinitiative?
Sobald Corona es wieder zulässt, freuen wir uns auf persönliche Begegnungen und Treffen. Wir haben festgestellt: Mit Telefon- und Videokonferenzen können wir sehr effektiv planen und uns gut organisieren – aber um sich richtig kennenzulernen und Vertrauen aufzubauen, braucht es gerade am Anfang einen persönlichen Kontakt. Der ist durch nichts zu ersetzen.
Zugegeben, Ausblicke sind momentan schwierig. Wagen Sie es dennoch? Wo wird die Metropolregion in 20 Jahren stehen – und wo das Bankhaus Metzler?
Der Industrie- und Branchenmix in FrankfurtRheinMain ist noch vielfältiger und nachhaltiger geworden und somit widerstandsfähiger gegen Krisen. Die Menschen haben entdeckt, dass sie mit einem langfristigen Aktieninvestment gut für ihr Alter vorsorgen können, das Bankhaus Metzler ist weiterhin in Familienbesitz und unabhängig, wirbt weiterhin für die Aktienkultur, ist in kapitalmarktnahen Geschäften tätig und bietet seinen Kunden einzigartige Dienstleistungen, um Vermögen langfristig zu erhalten und zu vermehren.
Vielen Dank.
Wirtschaftsinitiative FrankfurtRheinMain, 30. Juni 2020