Der junge Privatbankier
Das Bankhaus Metzler ist das älteste deutsche Geldinstitut in Familienbesitz. Jetzt steigt wieder ein Familienmitglied in den Vorstand ein. Was kann Franz von Metzler?
Von Dennis Kremer
Würde man eine Umfrage in Auftrag geben, worüber Väter und ihre Söhne in Deutschland gerne sprechen, könnten viele Themen weit oben landen. Das Thema "Bismarck" aber mit Sicherheit nicht. Wer hat schon noch eine direkte Beziehung zu Otto von Bismarck (1815-1898), dem einstigen Reichskanzler?
Bei Franz von Metzler und seinem Vater Friedrich ist das anders. Friedrich von Metzler ist Deutschlands bekanntester Privatbankier, 2018 hat sich der heute 79-Jährige (bankinternes Kürzel "FM") aus der Führung seiner Bank zurückgezogen. Sein Sohn Franz Albert Ferdinand (internes Kürzel "FAM") dagegen bereitet sich in diesen Tagen darauf vor, in den obersten Führungszirkel der Bank aufgenommen zu werden: Zum Jahreswechsel tritt der 36-Jährige in den Vorstand ein. Es ist ein Generationenwechsel.
Womit wir wieder bei Bismarck wären. Der Reichskanzler hat einst für die Mitglieder der im Jahre 1674 gegründeten Frankfurter Traditionsbank das Verb "metzlern" erfunden. Es bedeutet in etwa: in angenehmer Atmosphäre gute Kontakte knüpfen. "Mein Vater ist so stolz darauf, dass er es bei jeder Gelegenheit erwähnt", sagt Franz von Metzler und muss lachen. "Aber es zeigt eben auch die Besonderheit unserer Geschichte."
Gemetzlert, falls das die richtige Partizip-Perfekt-Form der bismarckschen Wortschöpfung ist, hat der Vater par excellence. Friedrich von Metzler ist hoch angesehener Frankfurter Ehrenbürger, der sich gemeinsam mit seiner Frau Sylvia in Kunst, Kultur und Wissenschaft engagiert. Und der fast nebenbei gezeigt hat, wie man das älteste deutsche Bankhaus in Familienbesitz weitgehend unbeschadet durch den Wandel der Zeit führt.
Das ist der Mann, mit dem der Sohn nun verglichen werden wird, ob er will oder nicht. Kann er metzlern?
Es ist eine der großen Stärken Franz von Metzlers, dass er einen solchen Vergleich gar nicht erst zulässt. Er weiß, dass der Druck auf ihn auch so schon enorm sein wird. "Mein Vater ist ein großes Vorbild für mich. Seine Lebensleistung ist unerreicht. Damit möchte ich mich gar nicht messen: Ich bin noch jung und werde meinen eigenen Weg gehen."
Ein Unterschied zwischen Vater und Sohn kristallisiert sich im Gespräch mit dem jungen Metzler dennoch schnell heraus. "Mein Vater hat nie differenziert zwischen Bank und Familie. Er war immer in der Bank, und selbst am Wochenende waren häufig Kollegen aus dem Partnerkreis bei uns zu Hause zu Besuch." Für den jungen Franz war das Familienunternehmen daher selbstverständlich Teil des Alltags. Er gibt aber auch offen zu: "Als Kinder und auch als Teenager haben wir uns für die Bank kaum interessiert." Seine Schwester Elena und er hatten andere Vorlieben, ihre Mutter begeisterte sie für den Sport, zum Beispiel fürs Skifahren. Anders als der Vater ackerten sie nicht schon mit 13 Jahren den Wirtschaftsteil der Zeitung durch.

Diese leichte Distanz, die nicht mit einem Mangel an Identifikation verwechselt werden sollte, sieht der Sohn auch als Vorteil. Sie ermöglicht ihm einen frischen Blick auf das fast 350 Jahre alte Traditionshaus. "Ich bin meinen Eltern dankbar, dass sie in dieser Hinsicht nie Druck aufgebaut haben", versichert er glaubhaft. "Mein Vater hat immer zu uns gesagt: Ihr müsst eure Berufung finden, ihr müsst das machen, was euch Spaß macht."
Vielleicht hat gerade diese Freiheit am Ende dazu geführt, dass beide Kinder heute voll in der Bank mitarbeiten. Elena von Metzler sitzt mittlerweile im Aufsichtsrat und ist als Senior-Kundenberaterin tätig. Franz von Metzler ist bereits seit 2020 Geschäftsführer der Metzler Asset Management GmbH, die beispielsweise Kirchen, Stiftungen und Versorgungswerke bei der Kapitalanlage berät. Gemeinsam mit seiner Schwester gehört ihm der überwiegende Teil der Bank, dritter im Bunde ist Cousin Leonhard. Die ältere Generation rund um Friedrich von Metzler hat ihre Anteile bereits vor einiger Zeit auf die Kinder übertragen. Mag sein, dass dies am Ende dann doch ein wenig den Druck erhöht hat. Trotzdem haben die Jüngeren wirklich die Wahl, wie das Beispiel Leonhard von Metzlers zeigt. Der hat zwar einige Zeit für die Bank gearbeitet, ist nun aber bei einem anderen Finanzunternehmen beschäftigt.
Franz von Metzler selbst ist den umgekehrten Weg gegangen. Er wollte mit 19 Jahren raus aus Frankfurt und die Welt sehen. Also ging es zum Betriebswirtschaftsstudium ins italienische Mailand und damit immerhin in das Land, aus dem der Ausdruck "Bank" ursprünglich stammt. Er leitet sich vom altitalienischen Wort für Tisch ab ("banco") und bezeichnete zu Anfang die Tische der Geldwechsler. So betrachtet, schien Italien für den Spross einer Bankiersfamilie geradezu eine naheliegende Wahl zu sein.
Schnell konnte sich Franz von Metzler für die italienische Lebensart begeistern. Die hat er allerdings ganz anders erlebt, als es das Klischee will. "Die Menschen dort haben einen hohen Anspruch an sich selbst. Dinge, die aus der deutschen Perspektive nicht gut zu funktionieren scheinen, laufen auf den zweiten Blick doch sehr gut. Das hat damit zu tun, dass Italiener flexibler und kreativer reagieren, wenn ihr ursprünglicher Plan mal nicht aufgeht. Wir Deutsche können von ihnen vor allem mehr Gelassenheit lernen."
Den ersten Job fand der Bankierssohn dann allerdings 2012 nicht in Italien, sondern in London, dem Zentrum der europäischen Finanzindustrie. Ausgerechnet bei der Großbank HSBC heuerte er an - als Analyst in der Abteilung "Mergers & Acquisitions", also Fusionen und Übernahmen. Lange Arbeitszeiten bis Mitternacht und auch am Wochenende sind dort üblich. "Die Tätigkeit war anspruchsvoll", sagt Franz von Metzler dazu rückblickend. "Aber ich bin diesen Weg gerne gegangen, weil ich es mich inhaltlich gereizt hat und ich die Herausforderung gesucht habe, auch vom Arbeitseinsatz her."
Von seiner Herkunft wussten dort nur die wenigsten etwas. Hat er sich damals bewusst für eine Bank entschieden, die in vielerlei Hinsicht das genaue Gegenteil von Metzler zu sein scheint? Der Bankierssohn sieht das nicht so. "Wir machen das Geschäft bei Metzler auch, aber natürlich anders. Wir haben viele Familienunternehmen als Kunden, die bei der Unternehmensnachfolge wissen möchten, ob sie ihr Unternehmen verkaufen sollen, und wenn ja, an wen. Da herrscht zwar weniger Zeitdruck, aber das Geschäft ist ähnlich."
Aussagen wie diese zeigen: Franz von Metzler formuliert geschliffen und wohlüberlegt, ein unbedachtes Wort kommt ihm kaum über die Lippen. Dazu passt auch, dass er zum Gespräch in eines jener typischen Metzler-Zimmer bittet, in denen die Führungsspitze der Bank gerne Besucher empfängt: mit Gemälden an der Wand und der Geschichte der Stadt Frankfurt sowie dem Code Napoléon im Bücherregal. Von dieser manchmal etwas langweiligen Solidität will auch der Spross des Hauses nicht abweichen. Die Surferbändchen am Handgelenk sind eine der wenigen Unangepasstheiten, die er sich leistet.
Doch der 36-Jährige weiß, dass ein Bankhaus mit Tradition und Kontinuität allein nicht erfolgreich sein wird. Darum sitzt er beispielsweise in einer Jury, die die besten Fintechs Deutschlands kürt. Das sind junge Finanzunternehmen, die oftmals der traditionellen Bankbranche den Kampf angesagt haben. Sein Platz in der Jury dient dem Metzler-Sohn keineswegs zur besseren Feindbeobachtung, er will - in dieser Hinsicht ganz der Vater - lieber versöhnen als spalten. Allerdings denkt er dabei durchaus auch ans eigene Geschäft. "Fintechs und traditionelle Banken können viel voneinander lernen", sagt er. "Traditionelle Banken haben den Vorteil, dass sie den Markt und ihre Kunden gut kennen und auch die Anforderungen der Regulierung, die manches Fintech-Unternehmen zu Anfang vielleicht unterschätzt. Viele Fintechs dagegen können eine Organisation schlank und agil führen."
Leute, die ihn gut kennen, heben vor allem eine Eigenschaft des Bankierssohns hervor: Er kann zuhören, reißt nicht das Wort an sich. Ralf Lochmüller, seit vielen Jahren Partner der Frankfurter Fondsgesellschaft Lupus Alpha, trifft sich mit dem Jüngeren regelmäßig zum Austausch. Er lobt: "Franz von Metzler ist ein gewinnender, junger Mann, der sehr gut mit Menschen umgehen kann und empathisch ist." Lochmüller spricht es nicht aus, aber all dies sind Eigenschaften, die auch Friedrich von Metzler zugeschrieben werden. Der Sohn scheint also zu können, was den Vater seit jeher auszeichnet: Auch er kann metzlern.
Wenn man sich in der Branche umhört, weisen allerdings nicht wenige darauf hin, dass die Zukunft für das Frankfurter Bankhaus einige ernsthafte Herausforderungen bereithält. Gerade der Bereich der Kapitalanlage, für den Franz von Metzler so brennt, wird von Kennern als solide, aber nicht außergewöhnlich beschrieben. Und abkoppeln von der derzeit eher schwierigen Marktlage kann man sich ohnehin nicht.
Franz von Metzler macht den Eindruck, als könnten ihn solche Schwierigkeiten nicht schrecken. Seitdem er 2014 von HSBC zurück zum Familienunternehmen gewechselt ist, hat er dort verschiedenste Stationen im Portfoliomanagement durchlaufen. Er war Aktienanalyst, später dann auch für Anleihen und Vermögensaufteilung zuständig. Wäre es nicht logisch gewesen, ihn gleich vom ersten Tag an zum Chef einer Abteilung zu machen?
Eine solche Sonderbehandlung, das merkt man dem 36-Jährigen an, hätte ihm nicht gefallen. Natürlich sei es nie ganz einfach, den passenden Platz für ihn als Vertreter der nächsten Generation zu finden, gibt er zu. "Ich wollte eine Aufgabe, die mir Spaß macht und bei der ich mich mit Einsatz und Kompetenz beweisen konnte. Darum war es sehr gut, im Portfoliomanagement zu starten. Dort wird das Können quasi täglich am Markt auf die Probe gestellt." Er habe außerdem alle Kollegen gebeten, ihn wie ihresgleichen zu behandeln.
Trotzdem: Auch wenn er selbst sich dazu nicht äußert, läuft alles darauf hinaus, dass Franz von Metzler die Bank eines Tages leiten wird. Noch liegt diese Aufgabe in den Händen von Emmerich Müller, eines Vertrauten des Vaters, der sie bald an Gerhard Wiesheu, einen anderen Vertrauten, übergeben wird. Wiesheu ist allerdings auch schon 60 Jahre alt. Man darf sicher sein: Wenn seine Zeit gekommen ist, wird Franz von Metzler bereitstehen.
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Der Artikel erschien in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, 18.12.2022, WERT & WOHNEN (Wert und Wohnen) , Seite 3