Wie die Verschuldung das Vermögen verzehrt
Außergewöhnliche Situationen erfordern außergewöhnliche Maßnahmen: Bürgerschecks, unbegrenzte Anleihekäufe durch Notenbanken und gemeinsame Schuldenaufnahme der Euro-Staaten sind nur einige Beispiele für das kollektive Überschreiten politischer Haltelinien im Zuge der Coronapandemie. Beschlüsse, die zuvor als Mandatsverletzung oder nicht durchsetzbar galten, wurden binnen weniger Wochen salonfähig gemacht. Übertriebene Kritik ist gleichwohl fehl am Platz. Im Moment äußerster Verunsicherung brauchte es starke politische Signale, um die Wirtschaft zu stabilisieren und eine Vertrauenskrise zu vermeiden. Dem beherzten Eingreifen von Notenbanken und Regierungen haben wir es letztlich zu verdanken, dass aus der Coronakrise kein Finanzkollaps resultierte, der im Zweifel noch mehr wirtschaftlichen Schaden angerichtet hätte, als ohnehin zu befürchten war.
Zwar ist die akute Phase der Wirtschaftskrise mittlerweile überwunden. Für Entwarnung ist es jedoch noch zu früh. Denn mit den Folgen der Rettungspolitik werden wir noch Jahre zu kämpfen haben. Kehrseite der staatlichen Konjunkturhilfen sind nämlich exorbitante Haushaltsdefizite, die die Staatsverschuldung vielerorts in schwindelerregende Höhen katapultiert haben. Solange die Notenbanken mit ihrer Niedrigzinspolitik eine schützende Hand darüber halten, ist dies jedoch kein akutes Problem. Verschuldungsexzesse können hingegen bedrohlich werden, wenn die Inflation außer Kontrolle gerät. Zwar verlieren die Schulden dann real an Wert, gleichzeitig steigen allerdings die Renditen am Kapitalmarkt. Für einige Regierungen könnte es schwer werden, die dadurch steigenden Finanzierungskosten zu stemmen.
Diese Zusammenhänge geben der aktuellen Diskussion über die Inflationsentwicklung eine Brisanz, die weit über den persönlichen Geldbeutel hinausgeht. Erstmals seit fast 28 Jahren liegt die deutsche Preissteigerungsrate wieder bei über 4 % – in den USA sogar bei über 5 %. Dieses Umfeld ist ungewohnt für Anleger, denn in der vergangenen Dekade schien die größere Gefahr von deflationären Tendenzen auszugehen. Infolge der Coronapandemie ziehen die Preise jedoch wieder dynamisch an und lassen Ängste aufkommen, dass sich das Preisgefüge dauerhaft in Richtung Geldentwertung verschieben könnte. Glücklicherweise lassen sich die aktuellen Preissteigerungen aber überwiegend auf Sondereinflüsse zurückführen, die sich über kurz oder lang abschwächen sollten. Dazu zählen Basiseffekte bei Rohstoffpreisen, Probleme in den Lieferketten, Steueränderungen und aufgeweichte Saisonmuster. Die Inflationsraten dürften also perspektivisch wieder auf moderatere Niveaus sinken. Gleichwohl gibt es aber auch einige Aspekte, etwa die stark gestiegene Geldmenge, den demografischen Wandel oder ein sich verknappendes Arbeitskräfteangebot, die für eine strukturell höhere Inflation als vor der Krise sprechen.
In moderater Ausprägung ist Inflation kein Problem. Ganz im Gegenteil: Steigen die Preise sukzessive, schmälern sie den realen Wert von Verbindlichkeiten, ohne eine Krise auszulösen. Die Staaten können sich äußerst bequem entschulden. Anleger in Nominalvermögen haben in diesem Fall das Nachsehen, da sie beim aktuell niedrigen Zinsniveau einen kontinuierlichen Kaufkraftverlust erleiden – und somit implizit die Entschuldung der Emittenten mitfinanzieren. Investitionen in Sachwerte sind gegenüber dem Inflationsrisiko weitaus besser geschützt. Die Aktie ist somit in Zeiten finanzieller Repression der Schlüssel zum Vermögenserhalt.