Cookies

Wir setzen auf unserer Website Cookies ein. Einige von ihnen sind für den Betrieb der Seite technisch oder rechtlich notwendig. Andere helfen uns, unser Onlineangebot stetig für Sie zu verbessern oder den Seitenbesuch für Sie komfortabler zu gestalten, indem Ihre Einstellungen gespeichert werden. Sie können Ihre Auswahl der akzeptierten Cookies individuell treffen und die Einstellungen jederzeit ändern. Weitere Informationen erhalten Sie unter Details.

Diese Cookies sind für den Betrieb der Seite technisch oder rechtlich notwendig.
*Sie können daher nicht abgewählt werden.

Um unsere Webseite für Sie weiter zu verbessern, erfassen wir anonymisierte Daten für Statistiken und Analysen.

Diese Cookies sollen Ihnen die Bedienung der Seite erleichtern. So können Sie beispielsweise Ihre Einstellungen 30 Tage lang speichern lassen.

Editorial der Investment-Strategie Metzler Private Banking - 9.11.2023 - Carolin Schulze Palstring

Comeback der Produktivität? Eine Chance für den Wohlstand

Deutschland fühle sich an, wie kurz vor einem Burn-Out, schrieb das Handelsblatt im August dieses Jahres. Dies impliziert einen Zustand starker Erschöpfung. Tatsächlich ist die Liste der Herausforderungen lang, die es in den vergangenen Jahren als Gesellschaft zu bewältigen galt: Auf die Coronakrise folgte die Energiekrise, beides mündete in eine akute Inflationskrise. Über die Sommermonate verschlechterte sich dann erneut der Zustand der deutschen Wirtschaft. Gemäß Prognose des Internationalen Währungsfonds droht die hiesige Konjunktur, als einzige unter vielen Industrieländern, im Jahr 2023 in eine Rezession zu rutschen. Das Echo in der deutschen Politik- und Medienlandschaft war groß. Schnell entbrannte eine hitzige Diskussion über die richtige Therapie, die sich von kurzfristigen Maßnahmen, wie Konjunkturprogrammen, über einen Ausbau staatlicher Subventionen (z. B. für Strompreise) bis hin zu Änderungen in der Steuergesetzgebung erstreckte.

Dass die deutsche Wirtschaft in diesem Jahr vorübergehend schrumpft, ist jedoch nicht das zentrale Problem. Zahlreiche Ökonomen hatten das angesichts der hohen Abhängigkeit von Energieimporten und dem Handel mit China bereits erwartet. Viel beunruhigender ist die Tatsache, dass Deutschland bereits seit mehreren Jahren nicht mit dem Wirtschaftswachstum anderer Industrieländer mithalten kann. Dabei dürfte die Verschlechterung von Standortfaktoren eine wesentliche Rolle gespielt haben. Eine aktuelle Studie der Stiftung Familienunternehmen stellt Deutschland ein schlechtes Zeugnis aus in den Kategorien Regulierung, Energie, Steuern und Arbeit. Lokale Unternehmen ächzen unter massiver Bürokratie und enormer Steuerbelastung − von den hohen Strompreisen ganz zu schweigen. Politiker wären also gut beraten, der aktuellen Konjunkturschwäche nicht mit kurzfristig angelegten Stimuli zu begegnen, sondern mit beherzten Strukturreformen. Nur so kann die deutsche Wirtschaft im internationalen Wettbewerb bestehen und die Herausforderungen der Zukunft meistern.

Dafür wird es höchste Zeit, denn die Sicherung unseres Wohlstandes ist kein Selbstläufer. Nicht nur in Deutschland, sondern auch in vielen anderen Industrieländern scheinen die langfristigen Wachstumsperspektiven aufgrund des demografischen Wandels trübe. Die Erwerbsbevölkerung schrumpft und damit unter sonst gleichen Bedingungen auch die jährlich geleisteten Arbeitsstunden. Erschwerend kommt hinzu, dass sich Konzepte zur Verkürzung der Arbeitszeit, etwa die Vier-Tage-Woche, in Teilen der deutschen Bevölkerung zunehmender Beliebtheit erfreuen. Somit trifft der Arbeitskräftemangel auf einen Wunsch nach mehr Freizeit – ein Dilemma für die Wirtschaft.

Dem allgemeinen Abgesang auf unseren Lebensstandard wollen wir uns trotzdem nicht anschließen. Denn die Wachstumschancen ließen sich noch immer verbessern, wenn die (verbliebenen) Arbeitskräfte effizienter arbeiteten als zuvor. Zwar waren diesbezüglich in der Vergangenheit wenig Fortschritte zu beobachten, aber drei zentrale Entwicklungen schaffen derzeit gute Rahmenbedingungen für einen echten Produktivitätsschub in der mittleren Frist. Erstens: Mit den gestiegenen Zinsen käme der Prozess der so genannten „schöpferischen Zerstörung“ wieder in Gang. Das heißt, unprofitable Unternehmen, die zuvor hauptsächlich dank niedriger Finanzierungskosten überlebt haben, verschwinden sukzessive vom Markt und geben Ressourcen frei für gesunde Firmen mit funktionierenden Geschäftsmodellen. Zweitens: Der Mangel an Arbeitskräften und die damit verbundenen Lohnsteigerungen verstärken den Anreiz für Unternehmen, in Automatisierung zu investieren. Je besser die Mitarbeiter mit Hilfsmitteln wie Maschinen und Software ausgestattet sind, umso effizienter können sie ihre Arbeit verrichten. Drittens: Im Zuge der geopolitischen Entwicklungen findet ein Umdenken in Regierungskreisen statt. Staatliche Förderung für Investitionen in Schlüsseltechnologien soll die Abwanderung der Industrie stoppen und internationale Abhängigkeiten bei kritischen Rohstoffen reduzieren.

Zugegeben: Das alles würde kaum für ein Comeback der Produktivität ausreichen, wenn die notwendigen Innovationen fehlten. Aber an vielversprechenden Technologien, wie Blockchain, robotergestützte Prozessautomatisierung und neuerdings auch generative Künstliche Intelligenz, mangelt es bekanntlich nicht. Überall dort, wo Daten analysiert, Inhalte erstellt oder Kunden betreut werden, wird es zukünftig Möglichkeiten geben, Prozesse durch den Einsatz neuer Verfahren zu beschleunigen und sogar qualitativ zu verbessern. Signifikante Effizienzsteigerungen scheinen damit vorprogrammiert. Kurzum: Wenn wir als Gesellschaft heute die Weichen richtig stellen, um den technologischen Wandel zu fördern und mit Blick auf potenzielle Nebenwirkungen adäquat zu begleiten, ließe sich eine Zukunft skizzieren, in der unser Wohlstand erhalten bleibt oder sogar wächst. Frei nach Antoine de Saint-Exupéry: „Die Zukunft soll man nicht voraussehen wollen, sondern möglich machen“.

Carolin Schulze Palstring
Carolin Schulze Palstring

Leiterin Kapitalmarktanalyse , Metzler Private Banking

Carolin Schulze Palstring leitet seit April 2019 die Kapitalmarktanalyse von Metzler Private Banking in Frankfurt am Main. Zuvor war sie sechs Jahre im selben Bereich als Analystin für Makroökonomie tätig. Sie absolvierte von 2012 bis 2013 ein Investment-Trainee-Programm bei Metzler. Frau Schulze Palstring studierte Betriebswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Bankwesen an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg, Karlsruhe, und war gleichzeitig bei der Deutschen Bank Privat- und Geschäftskunden AG in Düsseldorf tätig. 2012 erwarb sie zudem einen Master of Letters in Finance and Management an der University of St. Andrews.

Weitere Beiträge