Die Öffnung Chinas eröffnet Chancen am Aktienmarkt
Die Aufhebung der strengen Null-Covid-Politik in China bietet Platz für Optimismus: Die Wirtschaft belebt sich wieder, ebenso der Konsum, denn in den vergangenen Pandemiejahren haben sich hohe Ersparnisse angesammelt. Zudem ist China in wichtigen Wachstumsmärkten hervorragend positioniert. Chinesische Aktien bieten somit Diversifikationspotenzial. Bestehende Risiken müssen jedoch im Blick behalten werden, etwa hinsichtlich der Geopolitik, dem Handelskonflikt zwischen den USA und China oder der weiteren Entwicklung am chinesischen Immobilienmarkt.
Guter Jahresauftakt in China
Zum Jahresauftakt gibt es gute Gründe, wieder optimistischer auf die Wirtschaftsentwicklung Chinas zu blicken. Nachdem nach der Aufhebung der strengen Null-Covid-Politik im Dezember 2022 die erste Krankheitswelle durch die großen chinesischen Städte gerollt ist, erholt sich das gesellschaftliche Leben mit sozialen Aktivitäten wieder.
Die bis zum 25. Januar 2023 verfügbaren Daten zeigen, dass die Ausgaben der privaten Haushalte während des Neujahrsfestes offenbar stärker als erwartet infolge der kompletten Öffnung Chinas angekurbelt wurden: Die Flugreisen lagen dabei um 70 % über dem Vorjahresniveau und die Kinobesuche über dem Niveau der Feiertage im Jahr 2019. Auch verzeichnete der Einkaufsmanagerindex für die Gesamtwirtschaft einen Sprung von 42,6 im Dezember 2022 auf 52,9 im Januar 2023.
Chinesische Haushalte sitzen nämlich auf dem größten Berg neuer Ersparnisse in der chinesischen Geschichte – sie haben allein im vergangenen etwa 2,6 Billionen US-Dollar an zusätzlichen Bankeinlagen angehäuft, da die strikte Null-Covid-Politik die Konsummöglichkeiten massiv einschränkte.
Es bestehen somit gute Chancen, dass die chinesischen Konsumenten einen großen Teil dieser Überschussersparnisse für Konsumausgaben in diesem Jahr nutzen. Es gibt aber auch warnende Stimmen, die aufgrund der Vermögensverluste in den vergangenen Jahren und der schwierigen Lage am Arbeitsmarkt nur mit einer schwachen Belebung des Konsums rechnen. Beispielsweise lag im Dezember die Jugendarbeitslosigkeit bei 17 Prozent.
Grundsätzlich überwiegen unseres Erachtens jedoch die Chancen für einen Konsumboom. Daher haben wir unsere Prognose für das Bruttoinlandsprodukt (BIP) für das 1. Quartal 2023 auf etwa 1,0 Prozent zum Vorquartal angehoben und erwarten nun auch ein Wirtschaftswachstum von etwa 4,0 Prozent für das Gesamtjahr. Dabei haben wir auch berücksichtigt, dass es noch zu einer weiteren Covid-Welle in den ländlichen Regionen kommen könnte, ausgelöst durch die Reisen zum Mondneujahrsfest. In den Städten, wo ein Großteil der Produktion angesiedelt ist und ein hoher Prozentsatz an Konsumenten lebt, ebbt bereits seit Mitte Dezember die Pandemie merklich ab.
Trendwende der Wirtschaftspolitik
Wirtschaftspolitisch war nicht nur die plötzliche komplette Öffnung der chinesischen Wirtschaft überraschend, sondern auch die regulatorische Entspannung gegenüber dem privaten Sektor. So sagte der Vizepremierminister Liu He, der als Chinas „Wirtschaftszar“ gilt, in diesem Jahr auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos, dass China nach drei Jahren des Ringens mit der Pandemie ein Comeback haben werde. Außerdem kündigte er an, den angeschlagenen chinesischen Privatsektor zu unterstützen und versprach, dass sich die Tür für ausländische Investitionen nur noch weiter öffnen werde.
Ein hartes regulatorisches Durchgreifen der Aufsichtsbehörden gegen 13 führende Internetunternehmen in Privatbesitz verringerte in den vergangenen zwei Jahren den Wert ihrer Aktien um Milliarden US-Dollar. Vor dem Hintergrund der Wirtschaftsschwäche im vergangenen Jahr scheint die chinesische Regierung nun dazu bereit, ihre Wirtschaftspolitik anzupassen. Sie möchte zwar weiterhin die Kontrolle über Privatfirmen nicht aufgeben – dazu wurden sogenannte „Goldene Aktien“ von Privatfirmen an die Regierung ausgegeben. Die Regierung möchte gleichzeitig aber auch den chinesischen Privatfirmen wieder mehr regulatorische Freiheiten und damit Potenzial zum Wachsen geben.
Darüber hinaus sagte die chinesische Regierung weitere Hilfspakete und Unterstützungen zu: sowohl für Immobilienunternehmen, Unternehmen in der Gesundheitsbranche, wie der Altenpflege oder Herstellern von medizinischer Ausrüstung, als auch für Internetunternehmen.
Strukturelle Stärken der chinesischen Wirtschaft
In den Statistiken zeigen sich zunehmend die strukturellen Stärken der chinesischen Wirtschaft. So ist China Weltmarktführer in der Produktion von Batterien und Solaranlagen. Auch bei der Windkraft sind Anbieter aus China laut Experten schon international wettbewerbsfähig. Die chinesische Wirtschaft ist somit in einem wichtigen Wachstumsmarkt der Zukunft erfolgreich.
Hinzu kommt, dass die Stärke bei der Batterieproduktion sich auch auf die Automobilindustrie auswirkt. So stieg China im vergangenen Jahr zum drittgrößten Auto-Exporteur weltweit auf – vor allem beim Export von E-Autos – und könnte Deutschland in diesem Jahr sogar vom zweiten Platz verdrängen. Die chinesischen Automobilunternehmen können in puncto E-Mobilität liefern und sind sehr wettbewerbsfähig. Perspektivisch dürfte der globale Marktanteil in den kommenden Jahren steigen. Vielleicht könnte es China sogar in den kommenden Jahren schaffen, die Poleposition unter den globalen Autoexporteuren einzunehmen.
Diversifikationspotenzial infolge divergenter Konjunkturzyklen
Die Wirtschaft in den USA und in Europa befindet sich in einer Phase des Abschwungs, dagegen ist in China nach der Rezession 2022 ein Aufschwung wahrscheinlich. Die divergenten Konjunkturzyklen zeigen sich auch in einer unterschiedlichen Geldpolitik. So befinden sich die US-Notenbank und die Europäische Zentralbank (EZB) in einem Leitzinserhöhungszyklus, während die chinesische Zentralbank tendenziell die Geldpolitik mithilfe von Liquiditätsmaßnahmen lockert. Diese wirtschaftliche und geldpolitische Divergenz könnte sich auch 2023 in einer unterschiedlichen Entwicklung am Aktienmarkt widerspiegeln.
Historisch sind chinesische Inlandsaktien mit etwa 0,4 bis 0,5 niedrig korreliert zu europäischen und US-amerikanischen Aktien. Eine gewisse unterschiedliche Kursdynamik wäre somit historisch nicht ungewöhnlich.
Risiken bleiben jedoch bestehen
Zuletzt hatten sich die Beziehungen zwischen China und den USA etwas entspannt nach dem Treffen zwischen US-Präsident Joe Biden und dem chinesischen Staatspräsident Xi Jinping. China unterstützt jedoch Russland weiterhin – auch mit Technologiegütern, die in der russischen Rüstungsindustrie benötigt werden. Auch schwellt der Technologie- und Handelskonflikt weiterhin zwischen beiden Ländern. Zuletzt schränkten die USA zusammen mit Japan und den Niederlanden den Zugang Chinas zu neuester Halbleitertechnologie ein. Insofern könnten sich die Beziehungen zwischen den beiden Staaten also jederzeit wieder verschlechtern.
Zudem besteht die Möglichkeit, dass der Konjunkturaufschwung schwächer als erwartet ausfällt, wenn die privaten Haushalte ihre Geldbeutel nicht öffnen und vorsichtshalber ihr Geldvermögen sparen. Auch ist fraglich, wie sich die Nachfrage nach Wohnimmobilien entwickeln wird aufgrund der schrumpfenden Bevölkerung und der wahrscheinlich fehlenden spekulativen Nachfrage, denn die Erwartung stetig steigender Preise dürfte gebrochen sein. Die Krise am Immobilienmarkt ist noch nicht vorbei.
Schwaches Wachstum, regulatorische Eingriffe und Geopolitik belasten den Aktienmarkt
Noch im Pandemiejahr 2020 entwickelte sich der chinesische Aktienmarkt deutlich besser als der Index MSCI Welt: China bekam die Pandemie schnell in den Griff und kehrte wieder zu positivem Wirtschaftswachstum zurück. In der Folge sorgten ab 2021 jedoch regulatorische Eingriffe am Immobilienmarkt und bei Technologiefirmen für einen erheblichen Kursrutsch. Im Jahr 2022 belasteten dann die Immobilienausfallrisiken den Immobiliensektor und die verwandten Sektoren. Auch die bis Dezember 2022 geltende strikte Null-Covid-Politik dämpfte die wirtschaftlichen Perspektiven und belastete den Aktienmarkt.
Vor diesem Hintergrund war ein Rückgang der Unternehmensgewinne der im MSCI China A Index vertretenen Unternehmen von in der Spitze mehr als 10 Prozent zu beobachten. Die im MSCI Welt vertretenen Unternehmen konnten dagegen die Gewinne um mehr als 10 Prozent steigern – aufgrund einer Expansion ihrer Gewinnmargen. Die Trendwende in der chinesischen Wirtschaftspolitik gegenüber dem privaten Sektor in Kombination mit der Öffnung der chinesischen Wirtschaft eröffnet die Chance, dass die Unternehmensgewinne in diesem Jahr wieder in den positiven Bereich zurückkehren.
So sind chinesische Aktien auf Basis der Gewinnschätzungen für die kommenden zwölf Monate im internationalen Bereich am niedrigsten bewertet. Die chinesische Regierung muss wahrscheinlich erst verlorenes Vertrauen zurückgewinnen, bevor chinesische Aktien wieder höher bewertet werden. Für Anleger bedeutet die niedrige Bewertung eine Art von Risikoprämie.
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