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Mit freundlicher Genehmingung der F.A.Z. - 24.5.2023

Das Ende der grünen Anleihekäufe

Die EZB will von Juli an das "Tilting" einstellen, die Bevorzugung klimafreundlicher Unternehmen bei ihren Anleihekäufen. Am Anleihemarkt nimmt man das gelassen. Greenpeace fordert ein schlagkräftigeres Nachfolgeprogramm. 

 

Für fast fünf Billionen Euro hat die Europäische Zentralbank (EZB) über die Jahre Anleihen gekauft - und dabei seit Oktober vergangenen Jahres ausdrücklich auch Kriterien des Klimaschutzes berücksichtigt. Das soll jetzt beendet werden. Von Juli an will die Notenbank das Geld aus fällig werdenden Unternehmensanleihen aus ihrem Kaufprogramm CSPP nicht wieder in neue investieren. Hintergrund ist die Bekämpfung der hartnäckigen Inflation.

Damit entfällt auch die Möglichkeit, bei den Käufen Klimakriterien zu berücksichtigen. "Tilting" nannte sich dieses Verfahren, das nun seit sieben Monaten eingesetzt wurde, das heißt so viel wie "Neigen": Die Verteilung der Anleihekäufe auf die verschiedenen Unternehmen wurde nicht einfach nach dem früheren Prinzip der Marktneutralität vorgenommen, also mehr oder minder einfach so, wie es die Anleihen am Markt gab - sondern es wurde ein sogenannter Klimascore berechnet. Es gab Punkte für die Klimafreundlichkeit. Unternehmen, die dabei gut abschnitten, wurden durch zusätzliche Anleihekäufe unterstützt. Klimasünder dagegen bekamen weniger Rückenwind durch die EZB.

Wenn das jetzt wegfällt, drängen sich zwei Fragen auf. Hat das Auswirkungen auf den Anleihemarkt? Und vor allem: Hat dies Auswirkungen auf das Klima?

Das Bankhaus Metzler hat relativ detailliert analysiert, wie die bisherigen Schritte zum "Greening", also zur klimafreundlicheren Ausrichtung der Notenbank, gewirkt haben. Es kommt zu dem Ergebnis: Der CO2-Ausstoß der Unternehmen, die hinter dem Anleiheportfolio der EZB stehen, habe über die Jahre von 2018 bis zum vergangenen Jahr zugenommen. Der Hauptgrund sei aber die enorme Ausweitung der Anleihebestände der Notenbank gewesen. Der "Carbon footprint", der Ausstoß relativ zu den investierten Beträgen, sei zurückgegangen. Das Tilting habe dafür aber nicht die zentrale Rolle gespielt.

"Die EZB hat durch das Tilting die Reinvestitionen am Anleihemarkt etwas in den grünen Bereich verschoben", sagt Metzler-Analystin Juliane Rack. "Die Auswirkungen auf die Renditen waren nach meiner Einschätzung aber begrenzt." Im Schnitt wurden bei der EZB seit Oktober Unternehmensanleihen für 2,2 Milliarden Euro im Monat fällig. "Insgesamt schätzen wir die Reinvestition nach grünen Kriterien aufgrund der Reduktion der EZB-Bilanz auf etwa zehn Milliarden Euro", sagt Rack. Der Effekt des Tilting seit Oktober sei deutlich überlagert worden von der Zinswende, die trotz nachlassender Anleihekäufe der EZB die Nachfrage nach Anleihen wieder erhöht habe. Am Markt seien grüne Papiere ohnehin weiter sehr gefragt, sagt Rack. Die unmittelbaren Effekte durch das Ende des Tilting dürften also vermutlich überschaubar sein.

Juliane Rack
Die EZB hat durch das Tilting die Reinvestitionen am Anleihemarkt etwas in den grünen Bereich verschoben. Die Auswirkungen auf die Renditen waren nach meiner Einschätzung aber begrenzt.
Juliane Rack
FI/FX Research

Welche Unternehmen konkret durch das Tilting abgestraft wurden, damit hat sich der Thinktank Anthropocene Fixed Income Institute beschäftigt. Er hat verglichen, welche Unternehmen hohe CO2-Emissionen haben und zu den Anleihebeständen der EZB gehören. Institutsgründer Ulf Erlandsson nennt unter anderen das Rohstoffunternehmen Glencore, den Ölkonzern Shell, den Explorationsdienstleister Schlumberger und den Billigflieger Ryanair - jeweils mit in Euro notierten Anleihen.

Spannend wird, ob und wie schnell der EZB-Rat ein Nachfolgeprogramm für das auslaufende Tilting beschließt. Dass die Notenbank jetzt ganz auf Schritte für den Klimaschutz verzichtet, gilt als unwahrscheinlich. EZB-Präsidentin Christine Lagarde hat auf der vorigen Zinspressekonferenz noch einmal ausdrücklich darauf hingewiesen, dass ihr die Pariser Klimaziele ein wichtiges Anliegen seien.

EZB-Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel hat in einer Grundsatzrede schon die verschiedenen Möglichkeiten vorgestellt, wie ein Nachfolgeprogramm aussehen könnte. Nach allem, was man hört, dürfte dieses aber zumindest nicht so schnell verwirklicht werden, dass es im Juli das Tilting einfach nahtlos ablöst.

Als naheliegend jedenfalls gilt ein Plan: Wenn die EZB das Geld aus auslaufenden Unternehmensanleihen nicht mehr nach Klimaschutzkriterien in neue investieren kann, weil diese Reinvestitionen eingestellt werden, dann könnte sie die Bestände umschichten. Aus der kleinen Lösung würde damit eine größere.

Aus dem EZB-Rat hört man, es sei jedenfalls nicht auszuschließen, dass es dafür eine Mehrheit gebe. Die jüngste Flutkatastrophe in Italien habe allen Ratsmitgliedern noch einmal vor Augen geführt, dass die Folgen des Klimawandels alles andere als abstrakt seien.

Die "Falken" im EZB-Rat, das sind die Verfechter einer strafferen Geldpolitik, dringen zwar sehr darauf, dass jetzt nicht nur die Zinsen angehoben werden, sondern auch die Anleihebestände mit höherem Tempo als geplant reduziert werden, um die hohe Inflation zu bekämpfen.

Gegen ein Umschichten von Anleihebeständen hingegen hat sich bislang noch niemand öffentlich mit Nachdruck ausgesprochen. Bundesbankpräsident Joachim Nagel jedenfalls sagte im F.A.Z.-Interview: "Wir müssen diskutieren, ob und wie wir die vorhandenen Anleihebestände auch während des Abbauzeitraumes nach grünen Kriterien ausrichten können." In einer Rede auf der Bundesbank-Frühjahrskonferenz betonte Nagel noch einmal, wie wichtig das Thema sei, er hob aber zugleich auch hervor, dass Preisstabilität auch eine wichtige Voraussetzung dafür sei, dass Klimapolitik gelingen könnte.

Eine Schwierigkeit, die auftreten könnte, wenn die EZB ihre Bestände umschichtet: Dann würde es vermutlich notwendig sein, auch Anleihen zu verkaufen. Das macht die EZB bislang nicht, und das könnte unter Umständen zur Realisierung von Verlusten führen. Gleichwohl ist es genau das, was beispielsweise Umweltschutzorganisationen wie Greenpeace fordern. "Um in ihrer Klimastrategie glaubwürdig zu bleiben, muss die EZB endlich mit dem aktiven Verkauf von Anleihen fossiler Energieunternehmen beginnen", sagt Greenpeace-Finanzfachmann Mauricio Vargas.

Die Schlagkraft jedenfalls würde erhöht. "Wenn die EZB sich entscheiden sollte, jetzt in einem Nachfolgeprogramm ihre großen Anleihebestände umzuschichten, dürfte es um eine ganz andere Größenordnung gehen", sagt Metzler-Analystin Rack. "Wenn Anleihen im Wert von mehr als 300 Milliarden Euro nach grünen Kriterien umgeschichtet würden, könnte das am Anleihemarkt deutlich mehr bewegen als das bisherige Programm."

Der Artikel erschien in der F.A.Z., 23.05.2023, Finanzen (Wirtschaft), Seite 23

Autor: Christian Siedenbiedel

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