Gute Voraussetzungen, aber richtige defensive Ausrichtung wird 2026 zum Erfolgsfaktor
Basisszenario: Moderates Wachstum bei abschwächender Inflationsdynamik
Das Wachstum der Weltwirtschaft wird im laufenden Jahr vor-aussichtlich stärker ausfallen als ursprünglich erwartet, und die Auswirkungen der US-Handelspolitik waren bislang weniger gravierend als befürchtet. Der moderate Wachstumstrend dürfte sich im kommenden Jahr fortsetzen. In unserem Basisszenario rechnen wir mit einem realen Wachstum von 2,9 Prozent. Damit bleibt die Wachstumsrate weiterhin unter dem Niveau vor der Coronavirus-Pandemie – in den beiden Jahrzehnten vor der Pandemie war die Weltwirtschaft um durchschnittlich 3,7 Prozent pro Jahr gewachsen. Angesichts der zahlreichen Herausforderungen und geopolitischen Spannungen stellt jedoch auch ein moderates Wachstum eine positive Nachricht dar und bietet eine gute Voraussetzung für ein positives Kapitalmarktjahr 2026. Besonders Europa könnte mit einer unerwartet dynamischen wirtschaftlichen Entwicklung überraschen, wenn die Investitionen in Infrastruktur und Verteidigung ihre Wirkung entfalten.
Die Geldpolitik dürfte 2026 unterstützend wirken. In den USA erwarten wir eine weitere Verbesserung der Finanzierungsbedingungen, da sinkende Energiepreise, eine weiter nachlassende Kerninflation und der anhaltende politische Druck die Federal Reserve zu weiteren Leitzinssenkungen veranlassen werden. Die Europäische Zentralbank hingegen hat ihren Zinssenkungszyklus abgeschlossen. Hier könnte im zweiten Halbjahr 2026 eine Zinserhöhung anstehen, sollte es zu ausgeprägt positiven Konjunkturüberraschungen kommen. Der erhöhte Zinssatz dürfte jedoch weiterhin unter dem neutralen Niveau liegen, ab dem die Geldpolitik konjunkturdämpfend wirken würde.
KI-Trend bleibt stark – unsere Risikofreude schwindet
Von diesem grundsätzlich positiven Marktumfeld dürften die stark von US-Technologietiteln dominierten globalen Aktienindizes allerdings nur dann profitieren, wenn das dynamische Wachstum der KI-Investitionen und die profitablen Umsatzsteigerungen der großen US-Tech-Unternehmen auch 2026 anhalten. Davon gehen wir in unserem Basisszenario aus, empfehlen Anlegern nach den hohen Kursgewinnen der letzten Jahre und den teils hohen Bewertungen in bestimmten Marktsegmenten allerdings, ihre Risikoneigung sukzessive zu reduzieren und vermehrt defensive Sektoren zu berücksichtigen.
Innerhalb der defensiven Sektoren bevorzugen wir aktuell Pharma- und Medizintechnik-Unternehmen gegenüber Firmen aus der Nahrungsmittel- und Haushaltsgüterindustrie. Eine hohe Bilanzqualität mit stabilen Cashflows, eine starke Marktposition sowie eine vielversprechende Forschungs- und Produktpipeline sind aber auch hier entscheidend für den Anlageerfolg.
Für kurzfristig unwahrscheinlich halten wir signifikante Produktivitätszuwächse durch die zunehmende Verbreitung von KI-Lösungen in zentralen Wirtschaftsbereichen. Sollten solche Zuwächse jedoch unerwartet eintreten und die US-Leitzinsen aufgrund einer abkühlenden Inflation weiter sinken, wären zweistellige Kursgewinne für globale Aktien durchaus denkbar.
US-KI-Fantasie reicht nicht: Europäische Aktien brauchen mehr für den Aufschwung
Der europäische Aktienmarkt ist nicht Teil der KI-Story und benötigt daher zusätzliche Katalysatoren, um 2026 an die Kursgewinne des laufenden Jahres anknüpfen zu können. Zu diesen Katalysatoren zählen vor allem die angekündigten hohen staatlichen Ausgaben für Rüstung und Infrastruktur, aber auch die Lösung von Strukturproblemen, wie die hohe Abgaben- und Steuerlast, die ausufernde Bürokratie sowie die hohen Energiepreise. Allein auf die Hoffnung zu setzen, dass der unberechenbare Politikstil von Donald Trump, wie im April, erneut Kapitalumschichtungen nach Europa anstoßen könnte, wird nicht ausreichend sein für eine fortgesetzte Rallye europäischer Aktien.
Positive Impulse könnten zusätzlich aus Fortschritten bei den diplomatischen Bemühungen um eine Waffenruhe im Ukraine-Krieg resultieren. Hoffnungen auf einen schnellen Erfolg der US-Vermittlungsversuche haben sich jedoch als verfrüht herausgestellt, und eine nachhaltige Lösung des Konflikts scheint in weiter Ferne zu liegen. Beim Wiederaufbau der zerstörten Ukraine könnten insbesondere Produzenten von Kapitalgütern, Baustoffen und Banken profitieren. Die ukrainische Regierung beziffert die Kosten für den Wiederaufbau auf mehr als 850 Milliarden Euro.
Grundsätzlich zuversichtlich für Investitionen in Europa stimmt uns, dass die europäische Politik die Notwendigkeit von Reformen erkannt hat. Auf europäischer Ebene sind ernsthafte Anstrengungen zu mehr Resilienz und zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit erkennbar. Mit Initiativen wie den „Omnibus“-Paketen, dem „Clean Industrial Deal“ und dem „Energy Action Plan“ zeigt die Europäische Kommission klaren politischen Willen, den Industriestandort Europa zukunftsfähig zu gestalten. Dabei setzt die Europäische Union den begonnenen Kurswechsel bei zentralen Nachhaltigkeitsvorhaben fort, ohne die grüne Transformation der Wirtschaft aus den Augen zu verlieren. Angesichts der voraussichtlichen Verfehlung der Ziele des Pariser Klimaabkommens dürften jedoch die EU-Klimaziele mittelfristig einer Neuausrichtung unterzogen werden.
Größter Risikofaktor für Aktien: Ein Ende des KI-Booms
Das größte Risiko für die Aktienmärkte sehen wir in einer deutlichen Reduktion der KI-Investitionen sowie in enttäuschenden Geschäftszahlen der Unternehmen, die vom KI-Boom profitieren. So könnten die in den USA immer knapper werdenden Energieressourcen und Netzkapazitäten die ambitionierten Wachstumspläne der Tech-Giganten gefährden. In unseren Risikoszenarien halten wir zudem negative Auswirkungen einer Private Debt-induzierten Kreditkrise für möglich. Die KI-Investitionen haben das rasante Wachstum des Private Debt-Marktes mitbefördert, der sich seit 2007 verzehnfacht hat.
Sollte dieser Worst Case eintreten, rechnen wir mit signifikanten Kursverlusten infolge der dann deutlich reduzierten globalen Wachstumsaussichten. Angesichts der sehr hohen Bewertungen bei US-Technologieunternehmen ist die Fallhöhe hier am größten, aber auch die europäischen Aktienmärkte dürften sich einer Korrektur nicht entziehen können.
Risikoprämien am Tiefpunkt, jedoch keine akute Gefahr für die Credit-Märkte
Am Markt für Euro-denominierte Unternehmensanleihen halten wir die historisch geringen Risikoaufschläge gegenüber ausfallsicheren Staatsanleihen angesichts der herausfordernden globalen Situation für zu niedrig. Wir erkennen allerdings an, dass die positive Wertentwicklung der letzten Jahre grundsätzlich auf einer soliden Basis steht. Denn die Unternehmensgewinne und Rentabilität sind gestiegen, die Ausfallraten sind niedrig, und die Einschätzungen der Rating-Agenturen haben sich verbessert.
In unserem Basisszenario, das von einem moderaten, disinflationären Wachstum der Weltwirtschaft ausgeht, bleiben Unternehmensanleihen daher aufgrund ihrer attraktiven Renditen auch 2026 interessant. Wir empfehlen jedoch, den Fokus auf Emittenten mit hoher Qualität zu richten.
Staatsanleihenmärkte: Wenige sichere Häfen als neue Herausforderung
Für Bundesanleihen gehen wir in unserem Basisszenario 2026 von keiner Versteilerung der Zinskurve aus und rechnen mit 10-jährigen Renditen zwischen 2,8 bis 3,0 Prozent. Die Nachfrage nach festverzinslichen risikoarmen Anlagen dürfte im jetzigen Bewertungsumfeld unverändert hoch bleiben und gerade Deutschland sollte neue Anleihen problemlos platzieren können.
Das größte Risiko für Staatsanleihen außerhalb der wenigen sicheren Häfen liegt in der angespannten Haushaltlage vieler Länder, etwa in Frankreich und den USA. Die Erfahrung zeigt auch, dass in einer Schuldenkrise die erwarteten Interventionen der Zentralbanken langfristig zu Inflation führen, was den gesamten Anleihenmarkt unter Druck setzen würde. Im Unterschied zu unserem Rezessionsszenario dürften Unternehmensanleihen in einer Staatsschuldenkrise jedoch besser abschneiden, da mit Umschichtungen von Staatsanleihen in Anleihen von qualitativ hochwertigen Unternehmen zu rechnen ist.
Auch 2026 dürfte der US-Dollar weiter abwerten
Der Abwertungsdruck auf den US-Dollar dürfte auch 2026 anhalten, jedoch mit einer geringeren Dynamik als 2025. Gründe dafür sind die Diskussion über die Schuldentragfähigkeit der USA, die erratische Politik der US-Administration sowie die von ihr aufgeworfenen Zweifel an der Unabhängigkeit der US-Noten-bank. Der US-Dollar hat daher seinen Status als sicherer Hafen verloren, der in Krisenzeiten typischerweise aufwertet. Gold, als wertstabile Krisenwährung ohne staatliche Kontrolle, dürfte in unseren Risikoszenarien dagegen die bevorzugte Wahl sein.