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Information für professionelle Anleger - 21.11.2025

Europa: Mutig voran in eine neue Ära

Geopolitische Spannungen, wirtschaftliche Umbrüche und eine schwächelnde Konjunktur: Europa steht vor enormen Herausforderungen. Wie kann die Europäische Union ihre Wettbewerbsfähigkeit stärken? Und mit welchen strukturellen Problemen hat sie gleichzeitig zu kämpfen? Diese Fragen analysieren der Präsident des ifo Instituts für Wirtschaftsforschung Clemens Fuest und der Politiker Gregor Gysi – beide zu Gast auf der Investmentstrategie 2026 der Metzler Asset Management GmbH.

Clemens Fuest, Präsident des ifo Instituts für Wirtschaftsforschung
Clemens Fuest, Präsident des ifo Instituts für Wirtschaftsforschung

Europas Wirtschaftspolitik – Fokus auf das Kerngeschäft

Die Europäische Union steht wirtschaftlich und politisch unter Druck: In den vergangenen Jahren blieb das Wachstum schwach, auch Deutschland stagniert – die Wirtschaftsleistung liegt heute auf dem Niveau von 2019. Während der Staatskonsum zunimmt, sinken private Investitionen und befinden sich wieder auf dem Stand von 2015.

Mehrere Faktoren bremsen Wirtschaftswachstum und Investitionen aus: Nicht nur verknappt der demografische Wandel die Zahl der Arbeitskräfte. Auch die ambitionierte Klimapolitik geht mit kleinteiliger, oft belastender Regulierung einher. Bisher gelingt es nicht, Dekarbonisierung mit Wettbewerbsfähigkeit zu verbinden. Zugleich fällt die EU technologisch zurück. Stärken bestehen in Mitteltechnologien wie Automobil und Maschinenbau, doch in Hochtechnologien – etwa Software oder Computer-Hardware – fehlt die Dynamik.

Zusätzlich belasten geopolitische Spannungen. Der Krieg Russlands gegen die Ukraine schwächt Handel und Investitionen, während die strategische Distanz zu den USA wächst. Europa muss lernen, eigene sicherheitspolitische Verantwortung zu tragen – die Unterstützung der Ukraine ebenso wie den Schutz der eigenen Grenzen. Um aus dieser Schwäche herauszufinden, braucht die EU einen klaren Kurswechsel. Sie muss Über- und Fehlregulierung der Wirtschaft zurückfahren. In den öffentlichen Haushalten sollten Verteidigungsausgaben Vorrang erhalten. Vor allem aber muss die EU ihre eigentliche Stärke ausspielen: den Binnenmarkt. Die Vertiefung des Wettbewerbs birgt erhebliches Potenzial, insbesondere im Dienstleistungssektor. Laut einer aktuellen ifo-Studie würde bereits der Abbau von nur 25 Prozent der Handelshemmnisse in diesem Bereich die Wirtschaftsleistung jährlich um rund 350 Milliarden Euro steigern.

Die Botschaft ist klar: Die EU kann ihre Probleme aus eigener Kraft lösen – wenn sie bereit ist, sich auf ihr Kerngeschäft zu besinnen und den Binnenmarkt zu ihrem zentralen Reformprojekt zu machen.

Gregor Gysi, Alterspräsident des Bundestags
Gregor Gysi: Politiker (DIE LINKE), Jurist und Alterspräsident des Bundestags

Demokratie und Rechtsstaatlichkeit –Europa zwischen Anspruch und Wirklichkeit

Vieles ist hoffnungslos, aber man sollte die Hoffnung nie aufgeben. Es gibt auch Fortschritte – wie etwa der AI-Act. Auch die EU-Lieferkettenrichtlinie ist zu begrüßen. Es fehlt nur die Behörde, von der man schnell Auskunft über die Lieferketten erhält. So überfordert die Richtlinie Wirtschaft und Unternehmen. Manche Fortschritte sind außerdem stark unzureichend, wenn auch nicht falsch, wie die Whistleblower-Richtlinie. Und es gibt Beunruhigendes. Das kann man im Bericht über die Rechtsstaatlichkeit 2025 der Europäischen Kommission nachlesen. In den Mitgliedsstaaten kommt es zu Rückschritten, sogar zu Stillstand. Und das betrifft auch Deutschland. Die Bilanz ist nicht optimal.

Hinzu kommen Spannungen zwischen der EU-Kommission und nationalen Regierungen, die allein schon aus institutionellen Gründen bestehen, sich aber schnell aufladen und verstärken können. Wahrscheinlich erinnern sich noch viele an die kontroverse Bewertung der Troika-Maßnahmen, insbesondere in Hinsicht auf Griechenland. Dabei kam ich damals nicht umhin, die Maßnahmen als autoritär zu bezeichnen, als ein Hineinregieren, um die Austeritätspolitik durchzusetzen. Deutlich wurde außerdem, dass es asymmetrische Machtverhältnisse zwischen Nord- und Südeuropa gibt – doch auch das ist institutionell noch nicht eingehegt.

Vergleichbare Asymmetrien betreffen die Asylpolitik. Länder mit EU-Außengrenzen erfahren einen stärkeren Aufnahmedruck. Nun soll die GEAS-Reform irgendetwas bewirken. Ob sie wirklich effektiv sein wird, werden wir sehen. Aber Bedenken, die auf grund- und menschenrechtliche Erwägungen zurückgehen, kann man nicht mit Effizienzsteigerungen von Verfahren zerstreuen. Wir haben es mit haftähnlichen Grenzverfahren und Einschränkungen des individuellen Asylrechts zu tun. Begleitet wird das durch nationale Verschärfungen, wie wir sie auch in Deutschland erleben.

Wir haben es mit folgenden Strukturproblemen zu tun: Die EU kämpft mit grundlegenden Spannungen zwischen ökonomischer Integration vs. demokratischer Legitimität; Gemeinschaftsinteressen vs. nationaler Souveränität; Effizienz vs. Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten. In Krisensituationen (Eurokrise, Migration) tendiert die EU zu technokratischen, eher undemokratischen Lösungen und asymmetrischer Lastenverteilung sowie zu Grundrechtsbeschränkungen zugunsten von Ordnungsund Sicherheitsinteressen.

Das Verhältnis zwischen der EU und den USA verschärft sich, nicht nur bei den Zöllen. Wenn ich in einem Satz die Probleme zusammenfassen müsste, würde ich sagen: Die langfristige Balance zwischen Integration und Demokratie bleibt prekär.

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