Weltwirtschaft: Besteht Anlass zum Optimismus?
Eurozone: Unterschätztes Wachstumspotenzial
Der von Bloomberg ermittelte Konsens erwartet für das dritte Quartal 2024 ein Wirtschaftswachstum (Mittwoch) von 0,2 Prozent in der Eurozone, was auf das Jahr hochgerechnet einem Wachstum von 0,8 Prozent entspricht. Damit bleibt die Wirtschaftsleistung unter dem geschätzten Potenzial, das bei etwa 1,25 Prozent liegt.
Die Inflation, die im Oktober voraussichtlich auf 1,8 Prozent gefallen ist, bleibt damit unter dem Ziel der Europäischen Zentralbank (EZB) von 2,0 Prozent. Gleichzeitig dürfte die Kerninflation – ein wichtiger Indikator für den mittelfristigen Preisdruck – von 2,7 auf 2,6 Prozent gesunken sein. Dies deutet darauf hin, dass die EZB mit ihrer straffen Geldpolitik Fortschritte bei der Eindämmung des Preisanstiegs erzielt hat, auch wenn die hohen Löhne in einigen Sektoren und die gestiegenen Produktionskosten nach wie vor Druck ausüben.
Der Rückgang der Inflation sowie das schwache Wachstum sind starke Argumente für eine Leitzinssenkung der EZB im Dezember. Wir gehen jedoch davon aus, dass das Leitzinssenkungspotenzial der EZB begrenzt ist und sie 2025 den Leitzins nur bis auf 2,5 Prozent senken wird.
Das hängt damit zusammen, dass dieser Zinszyklus ungewöhnlich ist: Vor der Finanzmarktkrise reduzierte die EZB immer erst die wöchentlichen Liquiditätszuteilungen an die Geschäftsbanken, sodass die Liquidität im Bankensystem knapp wurde. Die Geschäftsbanken mussten sich dann zusätzliche Liquidität an den Finanzmärkten besorgen, sodass der Geldmarktzins infolgedessen stieg. Der restriktive geldpolitische Impuls ergab sich also aus der Kombination von Liquiditätsverknappung und Leitzinserhöhung.
In diesem Zyklus blieben jedoch die Überschussreserven der Geschäftsbanken bei der EZB bei über 3 Billionen EUR, sodass den Banken trotz der zahlreichen Leitzinserhöhungen seit 2022 jederzeit üppige Liquidität zur Verfügung stand. Daher wirkten die Leitzinserhöhungen der EZB in diesem Zyklus auch weniger restriktiv.
Vor diesem Hintergrund dürften auch schon moderate Leitzinssenkungen von 4,0 bis auf 2,5 Prozent einen sehr positiven Impuls für das Wirtschaftswachstum liefern, da die hohe Überschussliquidität es Banken einfacher macht, die Kreditschleusen zu öffnen. So mehren sich die Anzeichen für einen merklichen Turnaround des Kreditzyklus – angeführt von den Wohnimmobilienkrediten.
Darüber hinaus ist die Arbeitslosenquote (Donnerstag) mit 6,4 Prozent immer noch auf einem Rekordtief. Die Geldpolitik kann also nicht zu locker werden, ohne eine Wiederbeschleunigung der Lohndynamik zu verursachen. Auch die europäische Konjunktur scheint langsam wieder einen Boden gefunden zu haben, wie der europäische Geschäftsklimaindex (Donnerstag) zeigen dürfte.
USA: Kommt jetzt der kreditgetriebene Aufschwung?
Es ist bemerkenswert, dass seit dem zweiten Quartal 2022 bis dato ein negatives reales Kreditwachstum in den USA zu beobachten ist. In der jüngsten Vergangenheit wurden nämlich US-Aufschwünge zumeist von einem robusten Kreditwachstum angetrieben. Dieser Aufschwung ist also anders.
Dass in den USA trotzdem seit Herbst 2022 ein dynamischer Aufschwung zu beobachten ist, hängt damit zusammen, dass sich die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes merklich beschleunigt hat. Aufgrund der vielen staatlichen Transfers und Subventionen erzielten die Unternehmen und die Konsumenten ein robustes Wachstum ihrer Einkommen – dabei profitierten vor allem die unteren Einkommensgruppen, die eine hohe Konsumneigung haben. Das zusätzliche Einkommen wurde dann überwiegend ausgegeben, der Konsum entwickelte sich robust. Dadurch entstand wieder neues Einkommen, das ausgegeben wurde.
Ein US-Dollar wechselte also den Besitzer in einem immer schnelleren Tempo. Dementsprechend bestehen gute Chancen, dass das BIP (Mittwoch) im dritten Quartal mit über 3,0 Prozent gewachsen sein könnte – getragen vom dynamischen Konsum.
Die untypische Natur dieses Aufschwungs lässt sich auch an der Entwicklung der Sparquote (Donnerstag) ablesen. Bei einem kreditgetriebenen Aufschwung ist nämlich in der Regel ein Rückgang der Sparquote zu beobachten, da die Kreditaufnahme eine höhere Wachstumsrate des Konsums im Vergleich zur Wachstumsrate des Einkommens ermöglicht.
Im Gegensatz dazu war jedoch in diesem einkommensbasierten Zyklus bis vor Kurzem eine moderat steigende Sparquote der privaten Haushalte zu beobachten, die sich in den vergangenen Monaten in etwa auf ihrem historischen Durchschnitt einpendelte. Ein einkommensbasierter Aufschwung hat gewisse Grenzen, da über die Zeit immer mehr US-Dollar bei Wirtschaftsakteuren mit einer hohen Sparquote landen, sodass sich die Dynamik der Umlaufgeschwindigkeit abschwächt und der Zyklus an Kraft verliert.
Vor dem Hintergrund sich mehrender Anzeichen einer Konjunkturschwäche in den Sommermonaten senkte die US-Notenbank im September den Leitzins. Damit erhöht sie den Anreiz zur Kreditaufnahme und könnte damit eine Belebung der Kreditvergabe in den kommenden Monaten angeschoben haben. Der US-Aufschwung könnte somit in eine zweite Stufe des traditionellen kreditgetriebenen Aufschwungs eintreten, der noch einige Jahre andauern könnte. Es gibt also gute Gründe für Konjunkturoptimismus in den USA.
Dazu ist jedoch ein stabiler Arbeitsmarkt eine wichtige Voraussetzung: Zahl der offenen Stellen (Dienstag) und Arbeitslosenquote (Freitag). Denn nur bei einem Gefühl der Arbeitsplatzsicherheit werden die privaten Haushalte auch vermehrt Kredite nachfragen.
Zuletzt werden noch die Immobilienpreise (Dienstag), das Konsumentenvertrauen (Dienstag) sowie der ISM-Index (Freitag) veröffentlicht. Grundsätzlich dürfte die Datenlage in etwa im Einklang mit weiteren Leitzinssenkungen der US-Notenbank stehen.
Japan: Im Aufschwung
Japans Wirtschaft wird laut der Prognose des Internationalen Währungsfonds 2024 voraussichtlich nur um 0,3 % wachsen. Dies liegt an vorübergehenden Störungen in den Lieferketten, insbesondere in der Automobilindustrie. Für 2025 wird jedoch ein Wachstum von 1,1 % prognostiziert, das vor allem durch eine stärkere private Konsumnachfrage gestützt wird. Die Inflation in Japan bleibt nach den Erwartungen des IWFs moderat und wird voraussichtlich auf einem Niveau von etwa 2 % bleiben, was auf die eher zaghafte Erholung der Verbraucherausgaben zurückzuführen ist.
Die Bank von Japan hat ihre Leitzinsen angehoben und plant, diese schrittweise weiter zu erhöhen, um die Inflation bei ihrem Zielwert von 2 % zu stabilisieren. Die Zinsen sollen laut dem IWF mittelfristig auf ein neutrales Niveau von etwa 1,5 % steigen, was auf eine vorsichtige Normalisierung der Geldpolitik hinweist. In der kommenden Woche dürfte die Bank von Japan jedoch keine Leitzinserhöhung vornehmen. Wir erwarten erst im Dezember den nächsten Schritt.
Interessanterweise ist laut dem IWF das Verhältnis von offenen Stellen zu Arbeitslosen in Japan weltweit am höchsten – neue Daten dazu gibt es am Dienstag. Trotz des starken Arbeitsmarkts ist die Lohndynamik in Japan aber nur sehr schwach. Vor diesem Hintergrund besteht jedoch eine zunehmende Wahrscheinlichkeit einer merklichen Beschleunigung der Lohndynamik.
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