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ZOOM: Aktuelle Branchen- und Marktthemen im Fokus
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20.10.2025
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Dominik Müller
Der Fluss fließt immer, doch ist das Wasser nie dasselbe: Der US-Dollar und sein Reservestatus
Das Kapital fließt immer – doch bleibt die Reserve immer gleich? Mit dieser freien Adaption eines Zitats von Marc Aurel beginnt Dominik Müller, Head of Currency Management, seine Einschätzung des US-Dollars als Weltreservewährung. Ebenso passend wäre die Aussage George Harrisons gewesen: „All things must pass“. Denn die Kernaussage ist dieselbe: Kein System in der Geschichte der Menschheit hat je für immer Bestand gehabt.
Ist der US-Dollar noch dauerhaft als weltweite Reservewährung unumstößlich?
Man könnte meinen, die Regierung unter Donald Trump setze alles daran, den Reserve-Status der eigenen Währung zu untergraben. Es blieb nicht nur bei Handelszöllen und Seitenhieben gegen die weltweiten Partner. Auch die Unabhängigkeit der US-Notenbank wurde offen infrage gestellt und sogar attackiert, Mitglieder des Direktoriums wurden unter Druck gesetzt. Ist dies ein bewusster Versuch, den US-Dollar nachhaltig zu schwächen und seine zentrale Rolle im globalen Wirtschaftssystem aufzugeben? Nur auf den ersten Blick erscheint diese Frage radikal.
Die Emission einer Reservewährung ist eng mit Zahlungsbilanzdefiziten verbunden. Die Nachfrage anderer Nationen nach der Reservewährung zwingt das herausgebende Land dazu, das Angebot zu erhöhen – was im Ergebnis das Defizit vergrößert. Diese Beziehung ist heute als Triffin-Dilemma bekannt, benannt nach Robert Triffin, obwohl sie zuvor bereits von Feliks Młynarski untersucht wurde (Bordo und McCauley, 2017). Jede Weigerung oder Unfähigkeit, die Reservewährung bereitzustellen, oder eine signifikante Kürzung des Angebots würde die Stabilität des Geldsystems untergraben und könnte sogar eine globale Depression auslösen.
Kurzum: Vieles spricht dafür, dass Staaten wenig echtes Interesse daran haben könnten, die Weltreservewährung zu stellen. Dies dürfte auch auf die Volkswirtschaften Chinas und Europas zutreffen. Leicht vorstellbar ist also eine Welt, in der Autarkie und bilaterale Handelsvereinbarungen wieder mehr Gewicht bekommen, ganz ohne eine einzelne Reservewährung.
Welche Rolle spielt der Reservewährungsstatus des US-Dollars in der politischen und wirtschaftlichen Macht der USA?
Die sogenannte unmögliche Dreifaltigkeit – entstanden durch die (wohl unabhängig voneinander, aber zeitgleich verfassten) Arbeiten der IWF-Ökonomen John Marcus Fleming und Robert Alexander Mundell – wiegt gerade im Fall von Reservewährungen besonders schwer und schränkt die geldpolitische Freiheit der USA zusätzlich ein. Dieses gemeinhin anerkannte ökonomische Konzept besagt, dass eine Volkswirtschaft nicht gleichzeitig einen fixen (oder zumindest kontrollierten) Wechselkurs, Kapitalfreiheit und eine unabhängige Geldpolitik verfolgen kann. Einer dieser Punkte muss aufgegeben werden. All dies dürfte Donald Trump und seine Berater erheblich mehr beschäftigen als die oberflächliche Tatsache, dass die Vereinigten Staaten ein Zahlungs- und Handelsbilanzdefizit ausweisen.
„Aber der US-Dollar kann als Waffe eingesetzt werden“, ließe sich einwenden. Jedoch haben die USA noch zahlreiche weitere Instrumente in ihrem Arsenal, mit denen sie international Einfluss nehmen können – jenseits von Militär und US-Dollar. Im selben Maße entscheidend ist die systemische Abhängigkeit von US-amerikanischen Dienstleistungen. Dies zeigt sich im heutigen digitalen und vernetzten Zeitalter besonders deutlich – allen voran in Europa, wo lokale Alternativen bisher kaum Fuß gefasst haben. Die wichtigsten Zahlungsdienstleister, Kreditkartenunternehmen, Softwareanbieter und Cloud-Betreiber stammen fast ausschließlich aus den USA. Diese Abhängigkeit ist strukturell: In solch einer digital vernetzten Welt ließe sich Europa mit einem bloßen Knopfdruck in weiten Teilen lahmlegen.
Diese Vorstellung mag alarmistisch erscheinen, unterstreicht aber, dass die USA nicht zwangsläufig am Reservewährungsstatus des US-Dollar festhalten müssen, um ihre Macht zu bewahren. Sollte der Fokus der aktuellen US-Regierung sich immer stärker auf nationale Interessen und größere geldpolitische Flexibilität richten, wäre dies durchaus ein realistisches Szenario. Allerdings haben die bisherigen Schritte der Trump-Regierung schon jetzt auf den Kurs des US-Dollar gedrückt. Sollte die Abkehr der Marktteilnehmer vom US-Dollar und den US-Märkten angesichts politischer Instabilität weitergehen, dürfte die Unsicherheit weiter steigen, die Volatilität erneut aufflammen – und es könnte zu einer wesentlich stärkeren Abwertung des US-Dollar kommen als bisher.
Wie sollten sich Investoren auf einen schwachen US-Dollar vorbereiten?
Das Wesentliche für Investoren mit US-Dollar-Engagements ist: Gehen Sie Ihre Währungsrisiken heute an – nicht erst in einigen Monaten oder Jahren, nur weil andere Allokationsentscheidungen vordringlicher erscheinen. Suchen Sie das Gespräch mit Währungsspezialisten und analysieren Sie gemeinsam Ihr Portfolio auf versteckte Risiken und die Wechselkursdynamik. Etablieren Sie einen Risikomanagementprozess, der flexibel genug ist, um auf Veränderungen zu reagieren, und in unterschiedlichen Szenarien Bestand hat.
Ein Blick auf die Kaufkraftparität zeigt, dass der US-Dollar seit geraumer Zeit überbewertet ist. Nach unseren Schätzungen würde eine faire Bewertung nach diesem Maßstab einen EUR/USD-Wechselkurs von 1,40 – oder noch höher – rechtfertigen. Wenn dies abwegig erscheint, lohnt ein Blick in die jüngere Vergangenheit: Zwischen 2002 und 2008 stieg der Kurs von unter 0,90 (bei überbewertetem US-Dollar) auf 1,60 (fair bewertet, später tendenziell unterbewertet). Eine erneute, spürbare Aufwertung des Euro gegenüber dem US-Dollar ist also keineswegs ausgeschlossen. Ob dies tatsächlich das wahrscheinlichste Szenario ist, lässt sich nur schwer beurteilen – jedoch sollten Anleger das Risiko ernst nehmen.
Head of Currency Management
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Metzler Capital Markets
Dominik Müller ist seit 2013 bei Metzler tätig. Er leitet die Abteilung Currency Management im Geschäftsfeld Capital Markets und ist zuständig für die Beratung und operative Umsetzung sowie für die Geschäftsentwicklung.