BIP-Korrektur: Deutschlands Konjunktur im neuen Licht
Der Job eines Statistikers kann heutzutage schnell zum Schleudersitz werden – insbesondere, wenn nüchterne Zahlen auf politische Interessen treffen. Anfang August entließ Donald Trump medienwirksam die Chefin des US-Arbeitsmarktstatistikamtes. Der Grund: Die Behörde meldete ein geringes Beschäftigungswachstum im Juli und korrigierte darüber hinaus die starken Stellenzuwächse der Vormonate auf fast null herab. Für den US-Präsidenten waren das schlechte Nachrichten, versprach er doch mit seinem Amtsantritt, tausende neue Stellen in den USA zu schaffen.
Auch in Deutschland sorgten zuletzt neue Wirtschaftszahlen für eine Neubewertung der Situation: Das Statistische Bundesamt revidierte rückwirkend das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) der vergangenen vier Jahre. Zwar werden die Daten jedes Jahr im Sommer auf Grundlage neuer Informationen angepasst, doch diesmal war die Korrektur außergewöhnlich groß: Statt Stagnation zeigt die Statistik nun eine klare Rezession in den Jahren 2023 bis 2024.
Wie es dazu kommen konnte und wie es zukünftig mit der deutschen Konjunktur weitergehen dürfte, wollen wir in diesem Kapitalmarktkommentar näher erläutern.
Quellen: Statistisches Bundesamt, Metzler
* Preis- und kalenderbereinigt; Stand: 30. Juni 2025
Rezession statt Stagnation
Die neuesten Daten des Statistischen Bundesamtes zeichnen zunächst ein positiveres Bild der deutschen Wirtschaft nach der Coronapandemie. Demnach fiel die konjunkturelle Erholung in den Jahren 2021 und 2022 deutlich stärker aus als bislang angenommen. Die quartalsweise Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts zeigt einen klaren konjunkturellen Aufwärtstrend bis zum dritten Quartal 2022. Anschließend machte sich jedoch die Energiekrise infolge des russischen Überfalls auf die Ukraine in vollem Umfang bemerkbar. Statt nur minimaler Rückgänge des BIP weist die überarbeitete Statistik nun einen Einbruch von insgesamt 1,2 % in den Jahren 2023 / 2024 aus – ein im historischen Vergleich beachtlicher Wert. Seit 1991 gab es nur drei größere Rückgänge: die Wiedervereinigungskrise (1993), die globale Finanzkrise (2009) sowie die Covid-Pandemie (2020).
Quellen: Statistisches Bundesamt, Metzler
* Preis- , kalender- und saisonbereinigt; Stand: 30. Juni 2025
Warum wurde das BIP überhaupt revidiert?
Das BIP ist eine zentrale Kennzahl zur Messung der gesamten Wirtschaftsleistung eines Landes. Sie beruht jedoch auf Schätzungen, da eine umfassende Datenerhebung kurzfristig nicht möglich ist. Ein vollständiges Bild entsteht demzufolge erst Jahre nach der ersten Veröffentlichung, sobald alle relevanten Informationen zur Verfügung stehen. So sind etwa die finalen Umsatzsteuerdaten eine wichtige Informationsquelle. Grundsätzlich müssen die Statistiker bei Veröffentlichungen immer zwischen Aktualität und Genauigkeit abwägen.
Die jüngste „Sommerüberarbeitung“ integrierte eine Vielzahl neuer Informationen, die sowohl die Aktivität einzelner Wirtschaftszweige als auch die Bereinigung von Preisentwicklungen betreffen. Erstmals konnten nun detaillierte Unternehmensdaten für das Basisjahr 2023 berücksichtigt werden. Besonders relevant waren die ausführlichen Meldungen zu Umsätzen, Investitionen und Kosten von deutschen Unternehmen sowie Angaben zur Geschäftstätigkeit multinationaler Unternehmensgruppen. Darüber hinaus war es erst jetzt möglich, eine differenzierte Preisbereinigung von Vor- und Endprodukten vorzunehmen. Zusätzlich reagierten die Unternehmen auf die Energiekrise mit Anpassungen von Produktionsprozessen, In- und Outsourcing oder geänderten Geschäftsmodellen. Die Dynamik von derart drastischen Umbrüchen ist für Statistiker in Echtzeit nur schwer zu erfassen. Die umfassende Revision ist demnach primär ein Resultat der erhöhten wirtschaftlichen Unsicherheit der vergangenen Jahre, ausgelöst durch den energiepreisbedingten Schock infolge des russischen Angriffskriegs. Politische Einflussnahme spielte dabei keine Rolle.
Ausblick: Erholung für deutsche Wirtschaft in Sicht
Für die Einschätzung der aktuellen konjunkturellen Lage ist vor allem relevant, dass die revidierten BIP-Zahlen bereits seit dem zweiten Halbjahr 2024 eine langsame Erholung der deutschen Wirtschaft andeuten. Diese wurde Anfang 2025 durch eine temporäre Ausweitung der Produktion und Ausfuhren in die USA unterstützt. Damit kamen zahlreiche Exportunternehmen der Einführung höherer US-Zölle zuvor. Mit dem Inkrafttreten der erhöhten Zollsätze ab April 2025 setzte jedoch eine Gegenbewegung ein: Die Exportdynamik ließ spürbar nach und das BIP ging um 0,3 % zurück. Insgesamt stagnierte die deutsche Wirtschaft in den ersten beiden Quartalen dieses Jahres.
Für die kommenden Monate erwarten wir, dass die Konjunktur wieder langsam Fahrt aufnimmt. Das Wachstum dürfte zwar zunächst verhalten bleiben, da die höheren Zölle und der starke Euro die Exportunternehmen weiterhin belasten werden. Das kürzlich verabschiedete Handelsabkommen zwischen der EU und den USA verspricht den Unternehmen jedoch zumindest etwas mehr Planungssicherheit – auch wenn immer wieder mit temporären Störfeuern seitens der US-Administration zu rechnen ist. Erfreulich ist zudem, dass der private Konsum trotz der schwierigen Rahmenbedingungen zuletzt leicht zulegen konnte. Sollte sich das Konsumentenvertrauen nach langer Schwächephase nachhaltig erholen, könnte die Nachfrage im Inland wieder zu einer wichtigen Stütze der Konjunktur werden.
Große Hoffnungen ruhen zudem auf den finanzpolitischen Maßnahmen, die die Bundesregierung vor der Sommerpause beschlossen hat. So blicken die Unternehmen in vielen Sektoren deutlich optimistischer in die Zukunft als noch zu Jahresbeginn. Erste Wachstumsimpulse des Fiskalpakets dürften sich allerdings erst im kommenden Jahr in der Realwirtschaft zeigen. Damit langfristig keine Enttäuschung eintritt, muss die Politik jedoch auch strukturelle Rahmenbedingungen verbessern – etwa durch den Abbau überbordender Bürokratie.
Quellen: ifo Institut, Metzler
Stand: 31. August 2025
Rückenwind für den europäischen Aktienmarkt
Die Aussichten für den europäischen Aktienmarkt erscheinen uns angesichts der Kombination aus expansiver Fiskalpolitik und gesunkenen Leitzinsen vielversprechend. Wir sind zuversichtlich, dass die Gewinne der Unternehmen nach der derzeitigen Phase der Stagnation in den nächsten zwölf Monaten wieder beginnen zu wachsen.
Im Gegensatz dazu fällt unsere Einschätzung für den US-Aktienmarkt differenzierter aus. Faktoren wie die zunehmende politische Unsicherheit, anhaltende Inflationsrisiken und eine sich abschwächende Wirtschaftsdynamik dürften belasten. Gleichzeitig könnten jedoch erwartete Leitzinssenkungen der amerikanischen Notenbank in den kommenden Monaten vor allem wachstumsstarke Unternehmen stützen und somit selektive Chancen bieten.
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