Lieferketten sind nicht die Ursache für die positiven Wachstumsüberraschungen
Fakt ist, dass die Konjunkturdaten seit Jahresanfang positiv überraschen. Wo liegen die Ursachen und welche Implikationen folgen daraus?
Es gibt ein Lager von Optimisten, die einen positiven Angebotsschock diagnostizieren: Die Energiepreise sind zuletzt deutlich gefallen, und die Lieferketten haben sich entspannt. Die Handbremse scheint somit gelöst beim begrenzten Angebot an Rohstoffen und Vorleistungsgütern. Unternehmen können ihren hohen Auftragsbestand abbauen, und die Konjunktur belebt sich.
Daraus würde jedoch auch eine merklich fallende Inflation folgen, denn ein höheres Angebot geht eigentlich mit fallenden Preisen einher. Tatsächlich ist jedoch eine Beschleunigung der binnenwirtschaftlich erzeugten Kerninflation in den ersten beiden Monaten des Jahres gegenüber dem Vorquartal zu beobachten. Die Grafik zeigt die durchschnittliche monatliche Veränderung der Konsumentenpreisindizes ohne Energie und Lebensmittel im Januar und Februar gegenüber den drei Monaten des vierten Quartals 2022. Die Inflationsdynamik in allen großen Wirtschaftsräumen hat sich merklich beschleunigt.
Quellen: Refinitiv, Datastream, Metzler
Positive Wachstumsüberraschungen bei einer gleichzeitig steigenden Inflation sprechen daher eher für einen positiven Nachfrageschock. Auch sollte die Entspannung der Lieferketten und die günstigere Energie eher der Industrie zugutekommen als dem Dienstleistungssektor. Tatsächlich zeigen jedoch die Einkaufsmanagerindizes der Industrie (Montag) in den USA, Europa und Asien nur sehr moderate Verbesserungstendenzen, während die Einkaufsmanagerindizes des Dienstleistungssektors (Mittwoch) in den drei genannten Regionen nunmehr ein hohes dynamisches Wachstum signalisieren. Es gibt also noch Nachholeffekte bei der Nachfrage nach Dienstleistungen nach der Pandemie.
Ursachen des positiven Nachfrageschocks
Die ungemein starken Arbeitsmarktdaten in den drei großen Regionen sind unserer Einschätzung nach die Hauptursache für den positiven Nachfrageschock. Die Arbeitseinkommen steigen dynamisch und schaffen damit Konsumpotenzial. Darüber hinaus gibt es noch die in der Pandemie angehäuften Überschussersparnisse, zahlreiche staatliche Hilfsprogramme gegen die Energiekrise und die Öffnung Chinas.
Daraus folgt, dass die Zentralbanken eine restriktive Geldpolitik verfolgen müssen, solange die Arbeitsmärkte stark bleiben. Die Europäische Zentralbank (EZB) dürfte mit einer hohen Wahrscheinlichkeit im Mai den Leitzins um 0,5 Prozentpunkte auf 3,5 Prozent anheben. Und auch für die US-Notenbank wird es eine schwierige Abwägung im Mai, ob sie noch einen Zinsschritt von 0,25 Prozentpunkten nachlegen soll.
Maßgebliche Entscheidungshilfen für die US-Notenbank werden somit die Zahl der offenen Stellen (Dienstag) sowie der Arbeitsmarktbericht (Freitag) sein. Bisher gab es keine Anzeichen einer nennenswerten Abschwächung.
Auch in Japan wird die Bank of Japan ihre geldpolitischen Entscheidungen von der Entwicklung am Arbeitsmarkt abhängig machen: Löhne (Freitag) und Tankan-Umfrage (Montag) bei Unternehmen zu Einstellungs- und Lohnsetzungsabsichten.
Ultimativ sollte die restriktive Geldpolitik dominieren
Unseres Erachtens dürfte sich die restriktive Geldpolitik durchsetzen und für eine Konjunkturabschwächung sorgen. Damit einhergehend sollte dann auch die Inflation sinken. Es käme somit zu einem negativen Nachfrageschock. Schon im zweiten Halbjahr rechnen wir daher mit Wachstumsenttäuschungen und niedrigeren Inflationsraten.
Dennoch haben die Optimisten einen Punkt: Die Energiepreise sind deutlich gefallen, und die Lieferketten haben sich normalisiert. Es könnte also sein, dass es einige Zeit braucht, bis sich eine niedrigere Inflation infolge eines verbesserten Angebots etabliert. Zumal die Risiken für eine Bankenkrise niedrig sind. Die wirtschaftspolitisch Verantwortlichen scheinen unter allen Umständen einen zweiten Fall „Lehman Brothers“ verhindern zu wollen und sind daher zu sehr großzügigen Hilfen bereit.
Derzeit sehen wir jedoch mit etwa 55 Prozent noch eine etwas größere Wahrscheinlichkeit für das Szenario „negativer Nachfrageschock“ als für das Szenario „positiver Angebotsschock“ mit etwa 35 Prozent.
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