Ausblick auf das 3. Quartal: Hohe Kerninflation macht baldige Leitzinssenkungen unwahrscheinlich
Rentenmärkte: Hohe Hürden für Leitzinssenkungen, sollte Kerninflationsrate nur langsam sinken
Staats- und Unternehmensanleihen in der Eurozone verzeichneten im zweiten Quartal eine Wertentwicklung von +/- 0. Die Rendite 10-jähriger Bundesanleihen tendierte dabei eher seitwärts, während die Rendite 2-jähriger Bundesanleihen um etwa 50 Basispunkte auf 3,2 Prozent stieg. Die Renditestrukturkurve wurde somit inverser. Insgesamt kompensierten also für einen breiten Anleiheindex die Zinseinnahmen in etwa die moderaten Kursverluste.
Im kommenden Quartal könnten widerstreitende Kräfte auf den Anleihemarkt einwirken: Einerseits schwächt sich die europäische Konjunktur ab, sodass wir nicht mehr damit rechnen, dass die Europäische Zentralbank (EZB) den Leitzins auf 4,0 Prozent im Dezember anhebt. Ein Zinsschritt im Juli auf 3,75 Prozent ist dagegen mehr oder weniger schon von der EZB angekündigt worden. Andererseits zeigt die historische Erfahrung, dass es nach einem rapiden Anstieg der Kerninflation (Inflation ohne Berücksichtigung der Energie- und Lebensmittelpreise) auf 6,0 Prozent oder höher oft mehrere Jahre gedauert hat, bis sie wieder auf 2,0 Prozent gesunken ist – ein Niveau, das die Inflation-Swaps bereits für nächstes Jahr wieder einpreisen. Die Finanzmarktakteurinnen und -akteure sind also sehr optimistisch. Bisher folgt die Kerninflation jedoch dem historischen Muster und verharrt seit Dezember vergangenen Jahres bei über 5,0 Prozent. Ein Rückgang lässt sich als Trend bisher nicht erkennen. Sollte die Kerninflation tatsächlich nur sehr langsam fallen, läge die Hürde für Leitzinssenkungen der EZB sehr hoch.
Per Saldo rechnen wir mit einer Seitwärtsbewegung der Rendite 10-jähriger Bundesanleihen und einem weiteren moderaten Anstieg der Rendite 2-jähriger Bundesanleihen, da die Finanzmarktteilnehmenden in ihrer Erwartung von Leitzinssenkungen im kommenden Jahr zu optimistisch sind.
Aktienmärkte: Die Luft für weitere Kursgewinne wird dünner
Auch im zweiten Quartal konnten die Kurse an den globalen Aktienmärkten eine positive Wertentwicklung verzeichnen. Der MSCI Europa gewann etwa 2,1 Prozent, der MSCI Welt sogar etwa 7,3 Prozent und der MSCI Schwellenländerindex etwa 1,8 Prozent – jeweils in lokaler Währung. Die US-Aktienmärkte profitierten dabei von überraschend guten US-Konjunkturdaten: So zeigte der zinssensible Wohnimmobilienmarkt erste Erholungstendenzen, das Konsumentenvertrauen stieg und der Arbeitsmarkt blieb stark. Offensichtlich gingen von der großzügigen Rettung der kleineren und mittleren Banken in den USA positive Liquiditäts- und Konjunkturimpulse aus. Gleichzeitig war auch ein Rückgang der Inflation zu beobachten. Die Konjunkturdaten aus Europa und China waren dagegen eher durch Schwäche geprägt. Unter allen Aktienmärkten stach jedoch Japan hervor: Der MSCI Japan verzeichnete eine Wertentwicklung von 15,6 Prozent im zweiten Quartal. Positive Impulse für den Aktienmarkt kamen dabei von guten Konjunkturdaten, einer unverändert ultralockeren Geldpolitik und einem schwachen Yen.
Nach dem sehr guten Lauf der globalen Aktienmärkte seit Oktober vergangenen Jahres wird die Luft für weitere Kursgewinne dünner. US-Aktien handelten Ende Juni auf einem Kurs-Gewinn-Verhältnis auf Basis der geschätzten Gewinne in den kommenden zwölf Monaten von 19,3. Der Durchschnitt seit 1988 liegt dagegen nur bei 15,6. Zumal die Schätzungen mit einem erwarteten Gewinnwachstum in den kommenden zwölf Monaten von 7,2 Prozent eher optimistisch erscheinen. So könnte die Inflation in den USA – anders als allgemein von den Marktteilnehmern erwartet – hartnäckig hoch bleiben. Die Folge wäre, dass mehr Leitzinserhöhungen der US-Notenbank eingepreist werden müssten und die Chancen auf baldige Leitzinssenkungen sinken würden. Ein insgesamt höheres Zinsniveau könnte die Bewertung von US-Aktien wiederum unter Druck bringen. In Europa mehren sich dagegen die Anzeichen für einen Abschwung. Ein erwartetes Gewinnwachstum von 2,4 Prozent in den kommenden zwölf Monaten erscheint vor diesem Hintergrund optimistisch. Auch dürfte die Europäische Zentralbank (EZB) im Juli den Leitzins weiter anheben und damit den Bremsdruck auf die Konjunktur verstärken. Japan bleibt dagegen ein Lichtblick. Die japanische Notenbank dürfte nur vorsichtig die Geldpolitik straffen und die Konjunkturdaten könnten einigermaßen stabil bleiben. Hinzu kommt, dass japanische Aktien immer noch eher günstig bewertet sind.
Konjunktur Eurozone: Eine Senkung des Leitzinses frühestens im zweiten Halbjahr 2024
Gegen Ende des zweiten Quartals mehrten sich die Anzeichen dafür, dass die Wirtschaft der Eurozone nach einer erfreulichen Wachstumsbelebung im ersten Halbjahr nunmehr eine konjunkturelle Trendwende vollziehen könnte. So sind unter anderem die wirtschaftlichen Abschwungstendenzen beim Einkaufsmanagerindex für die Gesamtwirtschaft deutlich sichtbar geworden: Er sank von 54,1 im April auf nur noch 49,9 im Juni. Aber auch der ifo-Index befindet sich seit seinem Zwischenhoch im April wieder auf Talfahrt.
Dabei ist eine ungewöhnliche Divergenz zwischen einer schwer rezessiven Industrie und einem solide wachsenden Dienstleistungssektor entstanden. Eine Erklärung dafür könnte sein, dass die Industrie im Zuge der Schwierigkeiten mit den Lieferketten im vergangenen Jahr viel zu viele Lagerbestände aufgebaut hat und aufgrund der Normalisierung der Lieferketten nun die überschüssigen Lagerbestände wieder abbauen kann. Das heißt in zwei bis drei Monaten könnte sich die Industriekonjunktur wieder stabilisieren und zum Wirtschaftswachstum beitragen. Eine andere Erklärung wäre, dass der Dienstleistungssektor noch von Nachholeffekten aus der Pandemie profitiert – vor allem Tourismus und Entertainment boomen derzeit. Das heißt, auch der Dienstleistungssektor könnte sich in den kommenden Monaten abschwächen und die europäische Wirtschaft insgesamt in eine Rezession fallen.
Grundsätzlich spricht die restriktive Ausrichtung der Geldpolitik der EZB eher dafür, dass sich die Abschwungstendenzen in der Gesamtwirtschaft durchsetzen könnten. Die Kreditzinsen sind merklich gestiegen, und die Kreditvergabe ist erheblich gesunken – von 73 Mrd. EUR im August 2022 auf nur noch 2 Mrd. EUR im April 2023. Die EZB dürfte vor dem Hintergrund der Konjunkturschwäche nur noch einen Zinsschritt im Juli vollziehen – auf ein Leitzinsniveau von 3,75 Prozent. Da die Kerninflation im Juni mit 5,4 Prozent jedoch immer noch viel zu hoch ist, dürfte die Hürde für Leitzinssenkungen ebenfalls sehr hoch liegen. Wahrscheinlich kann die EZB frühestens im zweiten Halbjahr 2024 über eine erste Senkung des Leitzinses nachdenken.
Konjunktur USA: Rapider Rückgang der Inflation noch in diesem Jahr eher unwahrscheinlich
Die US-Wirtschaft hatte im zweiten Quartal kräftigen Rückenwind, der sogar noch für eine Wachstumsbeschleunigung in den kommenden Monaten ausreichen dürfte. Die großzügige Rettung der US-Banken verbesserte anscheinend die Liquiditätssituation im Bankensystem und an den Finanzmärkten mit der Folge, dass sich die gesamtwirtschaftlichen Finanzierungsbedingungen verbesserten. Gerade der frühzyklische Wohnimmobilienmarkt zeigte zuletzt erstaunliche Erholungstendenzen. So verzeichneten die Neubaubeginne im Mai einen der stärksten monatlichen Anstiege seit Januar 1990. Aber auch das Konsumentenvertrauen erholte sich, und der Arbeitsmarkt zeigte eine anhaltende Stärke.
Der Preis für die großzügige Bankenrettung könnte jedoch eine höhere Inflation in der Zukunft sein infolge eines stärkeren Wirtschaftswachstums. Die Wahrscheinlichkeit ist somit sehr hoch, dass die US-Notenbank noch mindestens zwei Zinsschritte im Juli und November macht und den Leitzins auf 5,6 Prozent anhebt. Auch dürfte die Hürde für Leitzinssenkungen hoch liegen. Ein Blick in die Wirtschaftsgeschichte zeigt nämlich, dass es nach einem starken Anstieg der Inflation in der Regel mehrere Jahre dauert, bis sie wieder auf ein Niveau von 2,0 Prozent zurückkehrt. Somit könnten die optimistischen Erwartungen der Finanzmarktakteure eines rapiden Rückgangs der Inflation also im Jahresverlauf enttäuscht werden.
Konjunktur Asien: In Japan könnte die Stagnation enden, in China der Aufschwung
Shinzo Abe wurde im Januar 2013 Premierminister Japans und stieß eine Reformpolitik der vielen kleinen Schritten an, die bis heute verfolgt wird. Die Erfahrungen Deutschlands mit der Agenda 2010 zeigen, dass es oft einige Jahre dauert, bis positive Effekte von Reformen auf das Wirtschaftswachstum sichtbar werden. Die überraschend guten Konjunkturdaten in Japan in diesem Jahr könnten somit ein Signal dafür sein, dass die Reformen nun beginnen zu greifen. Japan könnte also vor einer goldenen Dekade nach Jahrzehnten der Stagnation stehen – wie Deutschland in den Jahren von 2009 bis 2019.
Kein Indikator spiegelt die lange Phase der Stagnation in Japan besser wider als die nominalen Konsumausgaben, die von 1992 bis 2021 nur seitwärts tendierten. Hiermit werden die japanischen Yen erfasst, die tatsächlich über die Ladentheke gehen – ein guter Indikator also für die Entwicklung der Konsumnachfrage. 2022 begann sich ein neuer signifikanter Aufwärtstrend zu etablieren, der deutlich signalisiert, dass die japanische Wirtschaft die lange Phase der Stagnation verlässt. Auch die Wachstumsrate der Löhne beschleunigte sich im Jahresverlauf, wobei die Dynamik noch etwas verhalten ist. Wahrscheinlich dauert es noch einige Zeit, bis das Lohnwachstum einen Gang höher schaltet. Die Konjunktur ist also auf einem sehr guten Weg. Die Wahrscheinlichkeit steigt somit, dass die Bank von Japan noch in diesem Jahr ihre Geldpolitik straffen wird: In einem ersten Schritt dürfte sie die Festlegung der Obergrenze für die Rendite 10-jähriger Staatsanleihen von derzeit 0,5 Prozent auf 1,0 Prozent anpassen. In einem zweiten Schritt könnte sie den Leitzins von -0,1 Prozent auf 0,0 Prozent anheben, wovon auch der japanische Wechselkurs profitieren dürfte.
Der chinesische Aufschwung nach Öffnung der Wirtschaft währte nur ein Quartal. Bereits im April machten die Konjunkturdaten wieder einen Rückzieher. Der erhoffte Konsumboom blieb aus, da die privaten Haushalte ihre hohen Ersparnisse nicht auflösten, sondern aus Vorsicht weiter sparten: Einerseits ist eine erhebliche Schwäche am Arbeitsmarkt zu beobachten. Obwohl die arbeitsfähige Bevölkerung schrumpft – im vergangenen Jahr um 0,2 Prozent – stieg die Jugendarbeitslosigkeit stetig bis auf 20,8 Prozent im Mai. In diesem Sommer werden dann noch etwa 11,6 Millionen Universitätsabsolventen hinzukommen, die ebenfalls auf Arbeitssuche sind. Begründet liegt dies zum einen in einem kompletten Stillstand der privaten Investitionen, nach den erheblichen staatlichen Markteingriffen der vergangenen Jahre. Zum anderen setzte sich die Schwäche am Immobilienmarkt fort. Eine Mehrheit der Chinesen rechnet laut Umfragen mit fallenden Immobilienpreisen in der Zukunft, was die Attraktivität von Immobilien als Investitionsvehikel deutlich einschränkt. Ohne ein signifikantes staatliches Konjunkturpaket dürfte die chinesische Wirtschaft also nicht auf einen Wachstumspfad zurückkehren. Das Problem dabei ist jedoch, dass die traditionellen Bereiche für Stimuli wie Immobilienmarkt und Infrastruktur ausgereizt sind. Den äußerst schwachen Konsum zu stimulieren, ist erfahrungsgemäß sehr schwierig.
Weitere Beiträge
Diese Unterlage der Metzler Asset Management GmbH (nachfolgend zusammen mit den verbundenen Unternehmen im Sinne von §§ 15 ff. AktG „Metzler“ genannt) enthält Informationen, die aus öffentlichen Quellen stammen, die wir für verlässlich halten. Metzler übernimmt jedoch keine Garantie für die Richtigkeit oder Vollständigkeit dieser Informationen. Metzler behält sich unangekündigte Änderungen der in dieser Unterlage zum Ausdruck gebrachten Meinungen, Vorhersagen, Schätzungen und Prognosen vor und unterliegt keiner Verpflichtung, diese Unterlage zu aktualisieren oder den Empfänger in anderer Weise zu informieren, falls sich eine dieser Aussagen verändert hat oder unrichtig, unvollständig oder irreführend wird.
Ohne vorherige schriftliche Zustimmung von Metzler darf/dürfen diese Unterlage, davon gefertigte Kopien oder Teile davon nicht verändert, kopiert, vervielfältigt oder verteilt werden. Mit der Entgegennahme dieser Unterlage erklärt sich der Empfänger mit den vorangegangenen Bestimmungen einverstanden.