Inflationsperspektiven sind entscheidend für den Kapitalmarktausblick
Divergierende Inflationsentwicklung in den USA und China
Zwischen 2010 uns 2020 war ein erstaunlicher Gleichlauf zwischen den Inflationsraten der USA und Chinas zu beobachten. Nur 2011 war die Inflation in China merklich erhöht. Der gigantische staatliche Stimulus in China hatte nach der weltweiten Finanzmarktkrise einen erheblichen Preisdruck im Inland verursacht, der unter anderem auch soziale Unruhen zur Folge hatte. Im Jahr 2020 war die Inflation in China dagegen aufgrund eines Sondereffekts abweichend von den USA. Der Ausbruch der Schweinepest verursachte damals einen Anstieg der Schweinefleischpreise um etwa 135 Prozent zum Vorjahr.
Quellen: Refinitiv Datastream, Metzler; Stand: 30.4.2025
Seit 2021 hat sich das Bild jedoch gewandelt. Die USA verzeichnen eine deutlich höhere Inflation. Die Gründe dafür sind die großzügigen US-Staatshilfen während der Corona-Pandemie, die Unterbrechung der Lieferketten sowie stark steigende Rohstoffpreise nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine. China dagegen kämpft gegen eine Deflation infolge der Krise am Immobilienmarkt.
Seit 2021 kumulierte sich die Inflationsdifferenz zwischen beiden Ländern auf etwa 20 Prozent. Das heißt die Konsumentenpreise sind in den USA um 20 Prozent stärker gestiegen als in China. Damit sind chinesische Produkte deutlich günstiger gegenüber US-amerikanischen Produkten geworden, was die Wettbewerbsfähigkeit chinesischer Produzenten erheblich verbessert. Gleichzeitig wertete seit 2021 die chinesische Währung um etwa 10 Prozent zum US-Dollar ab. Die chinesischen Exporteure konnten somit ihre Wettbewerbsfähigkeit gegenüber ihren US-Konkurrenten um insgesamt 30 Prozent verbessern, da neben der Währungsentwicklung auch die Entwicklung der relativen Konsumentenpreise einen Einfluss auf die Wettbewerbsfähigkeit hat.
Quellen: Refinitiv Datastream, Metzler; Stand: 31.12.2024
Vor diesem Hintergrund ist es keine Überraschung, dass sich im Einklang mit der verbesserten Wettbewerbsfähigkeit seit 2021 die Handelsbilanzüberschüsse Chinas von 523 Mrd. USD (2020) auf knapp 992 Mrd. USD (2024) nahezu verdoppelten. Diese Entwicklung ist sicherlich ein Grund für die breite politische Zustimmung zu protektionistischen Maßnahmen in den USA gegenüber China.
China: Deflationsrisiken steigen
Nach Berechnungen des Peterson Institute for International Economics (PIIE) im Mai beträgt der durchschnittliche US-Zollsatz auf chinesische Importe derzeit etwa 51,1 Prozent und gilt nahezu für alle chinesischen Waren. Ursprünglich hatte die US-Regierung unter Präsident Trump die Zölle auf chinesische Importe im April 2025 auf bis zu 145 Prozent erhöht. Im Rahmen eines 90-tägigen Abkommens zur Deeskalation wurden diese Zölle jedoch ab dem 14. Mai 2025 auf 30 Prozent gesenkt. Trotz dieser temporären Reduktion bleibt unter Berücksichtigung aller vorherigen Zollmaßnahmen der durchschnittliche Zollsatz bei 51,1 Prozent.
Die USA sind mit großem Abstand der wichtigste Exportmarkt für China – allein 2024 betrugen die direkten Exporte in die USA etwa 525 Mrd. USD. Chinesische Exporteure nutzen aber auch Drittmärkte wie Hongkong (291 Mrd. USD) oder Vietnam (162 Mrd. USD), um indirekt in die USA zu exportieren. Die US-Zölle treffen also die chinesische Wirtschaft hart und könnten im Mai die Exporte (Montag) erheblich belastet haben. Eine Reduktion der Exporte bedeutet, dass mehr chinesische Waren im Inland verfügbar sind und somit der deflationäre Druck (Montag) steigt. Eigentlich müsste die chinesische Regierung in diesem Umfeld die Binnennachfrage stärken – vor allem durch Reformen, die die Konsumenten dazu bewegen, weniger zu sparen und mehr zu konsumieren. Bisher zeigte sich die chinesische Regierung jedoch überraschend zurückhaltend. Vielleicht steigt in den kommenden Monaten der Druck, größere Stimulusmaßnahmen und Reformen umzusetzen. Die Geschichte lehrt: In deflationären Phasen sinken die Unternehmensgewinne – und die Aktienmärkte neigen dazu, in der Tendenz zu fallen. Denn wenn Preise flächendeckend fallen, geraten nicht nur Löhne und Investitionen unter Druck, sondern auch die Bewertungsgrundlagen für Unternehmensanteile. Die scheinbare Kaufkraft der Währung steigt, doch die Realwirtschaft zahlt den Preis in Form schrumpfender Margen und wachsender Bilanzrisiken. Kapitalmärkte reagieren darauf in der Regel mit einer schlechten Wertentwicklung von Aktien.
USA: Inflationsrisiken steigen
In den USA ist genau der gegenteilige Effekt zu erwarten, die Zollerhöhungen verteuern ausländische Produkte und erhöhen somit das Inflationsrisiko. Gleichzeitig mehren sich die Anzeichen für eine Verlangsamung der Wachstumsdynamik. Der Geschäftsklimaindex der kleineren und mittleren Unternehmen am Dienstag dürfte mit einem Rückgang die Konjunkturschwäche bestätigen, die eigentlich nur eine Folge einer erheblich gestiegenen Unsicherheit ist. Derzeit halten sich viele Wirtschaftsakteure mit Ausgaben zurück und warten ab.
Insgesamt besteht derzeit eine große Unsicherheit, inwieweit die höheren Zölle tatsächlich an die Konsumenten weitergegeben werden und wie hoch die Inflationsrisiken tatsächlich sind, Konsumentenpreise (Mittwoch) und Erzeugerpreise (Donnerstag). Vor dem Hintergrund anhaltender Inflationsrisiken erweist es sich als problematisch, dass der Federal Reserve der geldpolitische Spielraum zur konjunkturellen Gegensteuerung weitgehend fehlt. Die Geldpolitik bleibt restriktiv – ein Umstand, den die schwache Wohnraumnachfrage und der markante Anstieg nicht abverkaufter Immobilien deutlich widerspiegeln. In der Folge mehren sich die Abwärtsrisiken für das Wachstum: Eine Notenbank, die angesichts struktureller Preisrisiken zum Zusehen gezwungen ist, kann auf zyklische Schwächephasen kaum mehr reagieren – mit potenziell erheblichen realwirtschaftlichen Kosten. Die Inflationsdaten dürften maßgeblich die Zinspolitik der US-Notenbank bestimmen.
Japan: Turbulenzen am Staatsanleihemarkt
In dieser Woche beruhigte sich die Lage wieder am Staatsanleihemarkt in Japan. Trotzdem sind die vergangenen Turbulenzen bei 30- und 40-jährigen Staatsanleihen ein nicht zu unterschätzendes Signal. Infolge der Alterung der Gesellschaft scheint das gesamtwirtschaftliche Sparvolumen der privaten Haushalte zu sinken. Auch scheinen die Unternehmen verstärkt zu investieren und somit auch ihre Sparquote zu reduzieren. Damit könnte die Finanzierungskapazität sinken.
Sind die Turbulenzen also ein Signal, dass die inländische Finanzierung der Staatsschulden immer schwieriger werden wird? Im vergangenen Jahr war die Handelsbilanz leicht im positiven Bereich bei etwa 0,5 Prozent des BIP und die Leistungsbilanz deutlich positiver bei 3,5 Prozent des BIP. Der Trend der Handelsbilanz ist jedoch sinkend und sie könnte bald wieder in den negativen Bereich abgleiten. Das heißt, dass die inländischen Ersparnisse tatsächlich bald nicht mehr ausreichen, um die Defizite zu finanzieren. Gleichzeitig verfügt Japan aber über ein großes Auslandsvermögen, das in den kommenden Jahren immer stärker zur Finanzierung der inländischen Defizite verwendet werden muss. Erst wenn die Leistungsbilanz negativ werden würde, droht eine ernsthafte Schuldenkrise in Japan.
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