US-Arbeitsmarkt kühlt sich ab – Implikationen für die Geldpolitik
USA: Arbeitsmarkt im Fokus
Im Vorfeld des monatlichen US-Arbeitsmarktberichts werden regelmäßig zahlreiche Datenpunkte veröffentlicht, die sich mit mehr oder weniger großem Erfolg als Frühindikator heranziehen lassen. In der Vergangenheit stachen dabei zwei hervor, die sich als einigermaßen aussagekräftig erwiesen haben: So zeigten zum einen die wöchentlichen Erstanträge zur Arbeitslosenhilfe zuletzt einen steigenden Trend. Und zum anderen berichteten die vom Conference Board befragten Konsumenten von einer merklichen Verschlechterung der Lage am Arbeitsmarkt im Juni. Die Umfragekomponente „Jobs Plentiful“ ist auf den niedrigsten Stand seit 2021 gefallen.
Quellen: Bloomberg, Metzler; Stand: 30.6.2025
Diese beiden Frühindikatoren sprechen für einen eher enttäuschenden Arbeitsmarktbericht im Juni. Ein Grund dafür könnte sein, dass die mit der erratischen Wirtschaftspolitik verbundene Unsicherheit derzeit viele Unternehmen zurückhält, Neuanstellungen vorzunehmen. Damit dürfte die Debatte um Leitzinssenkungen wieder an Dynamik gewinnen und der politische Druck auf die US-Notenbank zunehmen.
Laut einer Studie1 geht jedoch vom Arbeitsmarkt immer noch inflationärer Druck aus, da das Verhältnis von offenen Stellen (=Arbeitsnachfrage) zu Arbeitslosen (=Arbeitsangebot) immer noch deutlich über dem langfristigen Durchschnitt liegt. Im März trug der Arbeitsmarkt etwa 1,0 Prozentpunkte zur Kerninflation von 3,5 Prozent bei (Kerninflation = Cleveland Fed Median CPI). Sollte die Zahl der offenen Stellen (Dienstag) im Mai nicht deutlich gefallen und die Zahl der Arbeitslosen im Juni (Freitag) nicht deutlich gestiegen sein, dürfte es der US-Notenbank schwerfallen, den Leitzins schnell zu senken.
Quellen: Bloomberg, Metzler; Stand: 30.4.2025
Natürlich wird die US-Notenbank auch einen Blick auf den ISM-Index (Dienstag) und den ISM-Dienstleistungsindex (Donnerstag) werfen. Dabei stellt sich jedoch die Frage nach deren Aussagekraft. So sind die „Preiskomponenten“ beider Indizes zuletzt deutlich gestiegen, während die monatliche Dynamik der Inflation eher nachgelassen hat.
Sollte sich der Arbeitsmarkt tatsächlich abschwächen, hätte dies auch Auswirkungen auf die Staatsfinanzen. In der Vergangenheit lag das gesamtstaatliche Defizit bei einer Arbeitslosenquote von 4,0 Prozent im Durchschnitt (siehe Trendlinie) bei etwa 2,5 Prozent des BIP. Im vergangenen Jahr betrug das Defizit jedoch 7,5 Prozent des BIP. Sollte also die Arbeitslosenquote in einem Abschwung auf 6,0 Prozent steigen, würde sich das Staatsdefizit laut der Trendlinie um etwa 2,5 Prozentpunkte auf ein Defizit von etwa 10,0 Prozent des BIP verschlechtern. Langlaufende US-Staatsanleihen und der US-Dollar-Wechselkurs könnten unter dieser Entwicklung leiden. Vor diesem Hintergrund ist die Idee mancher Analysten völlig absurd, dass die USA eine Rezession brauchen, um die Staatsanleihen zu sehr niedrigen Zinsen mit einer sehr langen Laufzeit refinanzieren zu können.
China: Zwischen Resilienz und struktureller Zerreißprobe
Die chinesische Wirtschaft expandiert – doch das Wachstum wirkt zunehmend fragwürdig. Mit einem von uns prognostizierten BIP-Anstieg von 5,0 Prozent in diesem Jahr bleibt die Volksrepublik oberflächlich robust, doch unter der Oberfläche zeigen sich strukturelle Risse. Das Wachstumsmodell – lange gestützt auf Immobilien, Infrastruktur und Exportüberschüsse – hat seinen Zenit inzwischen überschritten.
Im Inneren dominiert ein anhaltender Nachfragemangel. Der private Konsum wächst nur schleppend, trotz steuerlicher Anreize und Subventionen. Die Gründe dafür sind vielschichtig: eine schwache Einkommensdynamik, ein kaum vorhandenes soziales Sicherheitsnetz und ein ausgeprägtes Sparen aus Gründen der Vorsicht. Die Lücke zwischen Produktionskapazitäten und Nachfrage weitet sich aus – mit deflationären Konsequenzen. Die Verbraucherpreise stagnieren oder sinken, während die reale Belastung von Schulden steigt. In der Vergangenheit verzeichneten die Unternehmensgewinne in einem deflationären Umfeld negative Wachstumsraten und die Aktienmärkte entwickelten sich schlecht.
Der Außenhandel wirkt stabilisierend, doch er ist fragil. Chinas Exportmotor läuft zwar noch, dank Zoll-Umgehungsstrategien und wachsender Präsenz in ASEAN und Afrika – doch das Rückgrat des Erfolgs, die US-Nachfrage, bricht unter dem Gewicht neuer Zölle weg. Der Zollkrieg unter „Trump 2.0“ hat strukturellen Charakter angenommen.
Gleichzeitig verliert die Immobilienwirtschaft – einst das Rückgrat des inländischen Wachstums – weiter an Bedeutung. Selbst drastisch gelockerte Kreditbedingungen konnten den Abwärtstrend nicht aufhalten. Vor allem die mittleren Großstädte kämpfen mit Leerstand und Preisverfall.
Die politischen Reaktionen wirken zurückhaltend. Peking verfolgt eine „Wait-and-see“-Strategie. Der fiskalische Spielraum ist durch die hohe Verschuldung begrenzt; die Geldpolitik stößt an strukturelle Grenzen. Die Führung priorisiert Stabilität – doch gerade diese Passivität birgt Risiken, wenn Reformen weiter aufgeschoben werden.
Zukunftsträger wie KI, Robotik oder Pharma zeigen Potenzial, doch dies reicht (noch) nicht aus, um die sinkende Leistung der traditionellen Wachstumsmotoren auszugleichen. Chinas Transformationsprozess wird lang und schmerzhaft. Von den Einkaufsmanagerindizes sind vor diesem Hintergrund in der kommenden Woche keine positiven Impulse zu erwarten.
Eurozone: Wird die EZB den Leitzins noch senken?
Der starke Rückgang der Inflation im Mai im Dienstleistungssektor war überwiegend auf den Tourismussektor zurückzuführen. Im Juni dürfte es hierbei eine gewisse Gegenbewegung gegeben haben. Auch dürften die Basiseffekte bei Energie weniger positiv ausgefallen sein, sodass wir mit einem Anstieg der Inflation von 1,9 Prozent im Mai auf 2,1 Prozent im Juni rechnen. Immerhin dürfte die Kerninflation konstant bei 2,3 Prozent gelegen haben.
Darüber hinaus scheint der Arbeitsmarkt anhaltend stark zu sein – mit einer unveränderten Arbeitslosenquote (Dienstag). Gleichzeitig plant die deutsche Regierung laut diese Woche veröffentlichten Haushaltsentwurfs schon im zweiten Halbjahr die Ausgaben für Infrastruktur zu erhöhen. Damit könnte sich die deutsche Konjunktur besser entwickeln als derzeit noch erwartet. Zuletzt zeigen auch die Daten zur Kreditvergabe (Montag) eine merkliche Belebung und damit positive konjunkturelle Impulse. Es sind vielleicht gute Argumente für die EZB, auf weitere Leitzinssenkungen zu verzichten. Derzeit erwarten wir nur noch einen Zinsschritt auf 1,75 Prozent im September mit einer Wahrscheinlichkeit von 60 Prozent und mit einer Wahrscheinlichkeit von 30 Prozent keine Leitzinssenkung mehr. Die verbleibenden 10 Prozent teilen sich auf weitere mögliche Szenarien auf.
1 https://cepr.org/voxeu/columns/rise-and-retreat-us-inflation-update
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